Die letzte Nacht der Unschuld
…
Plötzlich wollte Cristiano nichts mehr hören. Er stand auf und schlang sich ein Handtuch um die Hüften. „Colleen …“
Sie hob fast trotzig den Blick zu ihm. „Es half“, sagte sie schlicht. „Die Angst zuzugeben. Zuzugeben, dass ich vor so vielen Dingen Angst hatte, schon immer. Du sagtest, dass ein Leben, das man in Angst lebt, kein Leben ist.“
Er verzog das Gesicht. „Das war der Spruch, mit dem ich dich ins Bett gelockt habe?“
Ihr schüchternes Lächeln schnitt ihm ins Herz. Oder vielleicht war es ja auch nur sein schlechtes Gewissen. Sie wurde wieder rot.
„Nun … es war nicht das Bett.“
„Sondern?“
Er stand jetzt direkt vor ihr, nahe genug, um den süßen Duft ihrer Haut wahrzunehmen. Das Handtuch erwies sich als lachhaft unzureichende Bedeckung.
„Der Pool“, sagte sie heiser und sah ihm direkt in die Augen. Jetzt gab es nichts Schüchternes mehr an ihr, und ihr schien auch nicht mehr kalt zu sein. Mit dem wirren Haar und dem verschmierten Augen-Make-up wirkte sie sogar extrem sinnlich. „Du sagtest, ich solle die Augen schließen. Dann hast du mich bei der Hand in den Pool geführt, mich im Wasser hochgehoben und an dich gedrückt. Nie zuvor habe ich so etwas wie deine Stärke und deine Zuversicht gespürt. Ich habe mich sicher und geborgen gefühlt. Ich habe die Beine um deine Hüften geschlungen, und du hast mir langsam die nassen Sachen ausgezogen …“
Er schloss die Augen. Für einen Moment meinte er, im warmen Wasser zu stehen und ihr Gewicht um sich zu spüren. Dann verdrängte Verlangen dieses Bild. Er wollte sie. Hier und jetzt.
Das Handtuch rutschte zu Boden, als er nach ihren Schultern fasste und sie an sich zog. Kaum eine Sekunde später hob er sie auf seine Arme und trug sie zum Bett zurück.
6. KAPITEL
Colleen stand vor dem glänzenden Edelstahlherd und rührte verträumt in der köchelnden Pfanne. Die Holzbohlen unter ihren bloßen Füßen fühlten sich warm an, während sich draußen der kurze Februartag bereits dem Ende zu neigte.
Wie konnte ein Tag nur so schnell vorbeigehen? Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als ihr die Antwort klar wurde.
Cristiano und sie hatten den ganzen Tag im Bett beim Liebesspiel verbracht. Zeit war bedeutungslos geworden, während sie den Körper des anderen erkundet hatten und zwischendurch immer wieder in einen kurzen Erholungsschlaf geglitten waren.
Jetzt jedoch holte das leise Ticken der Standuhr Colleen in die Realität zurück. Vom schlechten Gewissen geplagt, griff sie nach ihrem Handy und wählte Lizzies Nummer. Während sie darauf wartete, dass am anderen Ende jemand abhob, ging sie ans Fenster, um Cristiano zuzusehen, wie er Holz für den Kamin hackte. Beim Anblick seines Muskelspiels durchfuhr sie ein wohliger Schauer. All diese beherrschte Kraft und Stärke hatte er auch bei ihr genutzt.
Für jemanden, der so stark war, bewegte er sich mit erstaunlicher Anmut. Als er aus dem Haus gegangen war, hatte er ein verwaschenes Jeanshemd getragen. Jetzt hatte er es ausgezogen und es sich mit den Ärmeln um die Hüfte gebunden. Das weiße T-Shirt lag eng an seinem Oberkörper und betonte die breiten Schultern. In diese Schultern hatte sich Colleen im höchsten Moment festgekrallt und ihre Lust hinausgeschrien …
„Hi. Ihr habt den Anschluss von Dominic, Lizzie und Ruby erreicht …“
Colleen fuhr zusammen, als Lizzies fröhliche Stimme vom Anrufbeantworter in ihre nicht jugendfreien Träumereien drang. Sie hatte völlig vergessen, dass sie ein Telefon ans Ohr hielt. Da sie jetzt keinen vernünftigen Satz zustande bringen würde, unterbrach sie die Verbindung und drehte sich zum Herd zurück – gerade rechtzeitig, um die wild blubbernde Pfanne vom Feuer zu nehmen.
Sie steckte das Handy in die Gesäßtasche ihrer Jeans und rührte weiter in dem mit Kräutern und Wein abgeschmecktem Essen. Verwundert dachte sie daran, dass sie normalerweise vor Sorge halb umgekommen wäre, weil sie Lizzie nicht erreicht hatte. Sonst hätte sie sich alle möglichen Horrorszenarien ausgemalt, was mit Alexander passiert sein könnte. Doch jetzt war es, als wäre etwas von Cristianos Stärke auf sie übergegangen.
Nachdem Colleen die Schilderung der Ereignisse vor vier Jahren beendet hatte, hatten sie wenig miteinander gesprochen. Berauscht vom Verlangen und matt vor Erschöpfung hatten sie einander schlicht in den Armen gehalten. Und irgendwo tief in ihrem Innern hatte Colleen sich damit zufrieden gegeben, dass sie, auch wenn es
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