Die letzte Nacht
ein paar Stunden überlässt. Wenn ich so tue, als würde ich das Baby fotografieren, wird niemandem etwas auffallen.«
»Hm …« Filippo spielte mit dem Brotmesser. »Wollen wir’s hoffen.«
»Der Plan ist perfekt!«
»Perfekt?«
»Ja, ganz bestimmt. Ich habe auch eine Tabelle mit den Zeiten vorbereitet. Willst du sie sehen?«
Filippo verdrehte nur die Augen.
Wenn man von der Tramstation Central kommend die Brücke über die Limmat überquert, kann man eine schmale Straße nehmen, die am Fluss entlangführt. Unter Touristen ist es ein bevorzugter Ort für Erinnerungsfotos. Ab einem bestimmten Punkt beginnt die Straße zu steigen, bis sie auf einem Platz, dem sogenannten Lindenhof, endet.
Von dort sieht man auf den Fluss und die Zürcher Altstadt. Man kann auf den Schachbrettern, die auf die Erde gemalt sind, Schach spielen, oder sich auf die Steinmauer setzen und die Aussicht genießen.
Genau das taten Contini und Viola. Nur, dass sie nicht die Aussicht genossen, sondern über Geld redeten.
»Das wird teuer für euch«, sagte Viola.
»Wir können zahlen«, erwiderte Contini »wichtig ist nur, dass keine Fehler unterlaufen. Wir haben nur eine Chance.«
»Wenn euer Mann bereit ist, werd ich mich an ihn ranmachen.«
»Und wenn er sich nicht drauf einlässt?«
»Wer es gewohnt ist zu zahlen, sagt bei einer, die er umsonst haben kann, nicht nein.«
»Wichtig ist, dass ihr zu ihm nach Hause geht. Du darfst dich auf nichts anderes einlassen.«
»Hey, ganz ruhig! Ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich so was mach!«
Contini nickte. Er fragte sich, ob sie sein Unwohlsein bemerkte. In der Nacht zuvor hatte er Viola die Idee in groben Zügen unterbreitet und ihr jetzt die näheren Details geliefert. Laut Salviati war sie eine sehr fähige und zuverlässige Person. Auch auf Contini machte sie einen guten Eindruck. Was ihm nicht gefiel, war die Sache selbst.
»Du weißt, dass wir eine Menge riskieren, oder?«, fragte er Viola.
»Was glaubst du denn«, antwortete sie, »aber es sind nur scheinbare Risiken. Dein Freund Salviati hat schon weitaus Schlimmeres organisiert, in den alten Zeiten.«
»Das kann ich mir vorstellen …«
»So ein Auftrag kommt mir übrigens ganz gelegen … jetzt, wo ich bereits an die Rente denken und jedes Räppli beiseitelegen muss!«
Contini wandte sich um und sah auf den Platz. Er lag im Schatten großer Linden, die nach Sommer und erfrischenden Nachmittagen auf dem Land dufteten. Auf den Bänken saßen junge Leute mit einem Buch, einige Pärchen und Alte. Ein Hund scharwenzelte um die Schachspieler herum.
»Was wirst du dann machen?«, fragte Contini.
»Hm, weiß nicht!« Viola fing an zu lachen. »Ich denk, ich werd zurück ins Dorf … Meine Cousine hat einen Schönheitssalon in Apulien, vielleicht kann ich ihr ein bisschen zur Hand gehen. Irgendwas wird sich schon finden.«
Contini zündete sich eine Zigarette an. Sie hatten bereits alle Punkte geklärt, aber er fühlte sich träge. Er hätte noch Stunden auf diesem Platz bleiben, dem Rauschen der Linden lauschen und auf den Fluss schauen können.
»Und du«, fragte sie, »was machst du? Du scheinst mir nicht in die Szene zu gehören.«
»Nein, das tu ich nicht. Ich helfe Salviati.«
»Es ist sein letzter Coup, stimmt’s?«
»Ja«, Contini schnitt eine Grimasse, »so könnte man sagen.«
»Oh, ich will kein Unglück heraufbeschwören. Alles wird bestens laufen! Wir stehen beide vor unserem letzten Coup, was für ein Zufall. Und für dich ist es der erste.«
Contini deutete ein Lächeln an. Dann erhob er sich und setzte den Strohhut auf, den er auf die Mauer gelegt hatte.
»Ich muss gehen«, erklärte er.
»Ich bleib noch ein bisschen«, meinte Viola. »Wir sehen uns!«
Contini kehrte zurück zum Central. Er nahm die Drei bis Stauffacher und die Acht bis Helvetiaplatz. Dann ging er zu Fuß die Langstrasse hinunter. Er lief bis zur Nummer 32, ohne darauf zu achten, was rings um ihn geschah. Eigentlich war er ein guter Beobachter, er behielt die Leute und die Umgebung gern im Auge. Aber in den letzten Tagen war er ganz von seinen Gedanken in Beschlag genommen.
Er drückte auf die Ladenklingel des Info 3000, und Salviatis Freund, der Informatiker mit den in alle Richtungen abstehenden Haaren, öffnete ihm.
»Oh, wer kommt denn da!«, begrüßte er Contini. »Unser Detektiv! Wie ist es gelaufen?«
»Gut. Wo ist Salviati?«
»Hier lang, hier lang.« Giotto Raspelli führte den Detektiv ins Hinterzimmer.
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