Die letzte Nacht
Außerdem müssten Sie am Freitagabend den 18. Dezember dafür sorgen, dass Beweismaterial eingeschleust wird.«
»Ach, darum geht es also«, Katia zog eine Grimasse. »Ein juristischer Schachzug?«
»So könnte man sagen. Für uns ist wichtig, dass Sie in einem der Büros einen Gegenstand zurücklassen. Ich werde Ihnen noch rechtzeitig mitteilen, worum es sich handelt.«
»Etwas Illegales?«
In Wahrheit hatte Salviati noch niemandem verraten, was für ein Gegenstand es war. Er hatte verlangt, ein paar Tage vor dem Coup direkt mit Katia zu verhandeln. Contini verstand nicht, weshalb, aber er hatte sich damit abgefunden. Er war der zweite Schlag der Glocke. Verstehst du nicht? Egal. Lerne zu lügen.
»Nein, nichts Illegales. Der Beweis, dass es zu einem Austausch von geheimen Unterlagen, von brisantem Material, gekommen ist …«
»Ah!«
»Der Direktor hat diesen Gegenstand versteckt, aber wir werden ihn in seinem eigenen Büro darauf stoßen lassen. So wird er begreifen, dass mein Kunde Bescheid weiß, und ihn nicht weiter behelligen. Niemand wird etwas bemerken, außer zwei, drei Personen.«
Der letzte Satz war der einzige, der in diesem ganzen Schwachsinn der Wahrheit entsprach. Der Überfall auf die Junker-Bank würde nur innerhalb eines bestimmten Kreises für Aufsehen sorgen, da der Transfer vertraulich war. Dank Salviatis Plan würde niemand auf die Idee kommen, eine Putzfrau als Informantin zu verdächtigen.
»Ist das beides zu schaffen?«, fragte Contini.
»Ich denk schon. Wo ist die Bank?«
»In Bellinzona.«
»Und Sie garantieren mir, dass es keine Schwierigkeiten geben wird?«
»Es ist ein bisschen komplizierter als sonst … aber wissen Sie, Katia, wir arbeiten schon so lange zusammen, und es ist noch nie zu Komplikationen gekommen, oder?«
»Ja, da haben Sie recht.«
»Sie werden sehen, es wird auch diesmal keine geben.«
Anna öffnete das Fenster und kehrte zurück ins Bett. Sie kuschelte sich an den Ehemann. Im September ist es angenehm, am frühen Morgen den ersten frischen Luftzug zu genießen. Filippo murmelte etwas im Schlaf und erwiderte ihre Umarmung.
»Der Wecker hat vor einer Viertelstunde geklingelt«, sagte Anna leise.
»Hm …«
»Ich glaube, wir sollten aufstehen.«
Sie wollte sich aufrichten, aber Filippo beugte sich über sie und hielt sie zurück.
»Und wenn wir zu Hause bleiben?«
»Soll das ein Witz sein? Und deine Schüler?«
»Schließlich bin ich ein Bankräuber …«
Es hatte sich zu einer Art Scherz zwischen den beiden entwickelt. Nachdem sie den Ernst der Lage begriffen hatten, half Ironie, die Spannung zu ertragen.
»Von wegen Bankräuber! Du weißt nicht mal, wie eine Pistole funktioniert!«
»Du wirst sehen, Frau, du wirst sehen …«
Filippo versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber er wurde immer skeptischer. Salviati und Contini waren in seinen Augen übergeschnappt. Die Zeit der Bücher und Artikel über Banküberfälle war längst vorbei. Anna begriff, dass die scherzhaften Bemerkungen nur ein Weg waren, um nicht wirklich darüber nachdenken zu müssen.
»Auf jetzt, es ist spät!«
Sie schob mit einem Ruck die Decke beiseite, was Filippo zu einem Seufzer veranlasste. Dann eilte sie in die Küche, um Kaffee zu kochen und den Frühstückstisch zu decken.
»Ich dusch mich noch!«, rief ihr Filippo aus dem Schlafzimmer zu.
»Beeil dich!«
Sie war nicht gern spät dran am Morgen. Das Frühstück war ihre Lieblingsmahlzeit, und es war auch ein besonderer Augenblick für sie und Filippo. Sie war froh, nicht einen von diesen Morgenmuffeln geheiratet zu haben, die in der Frühe den Mund nicht aufbrachten.
»Heute bin ich allein im Dienst«, erzählte sie Filippo später, während sie ihr Brot mit Butter bestrich. »Hoffentlich kommen nicht so viele Leute …«
»Ich hab noch nie gesehen, dass jemand in der Bibliothek Schlange stehen musste.«
»Lass mal, es kommen mehr Leute, als du denkst!«
»Und was für Leute sind das?«
»Alle möglichen. Aber vor allem Frauen, muss ich sagen.«
»Na ja, ihr lest ja auch gern, oder? Unter meinen Schülern ist kein einziger Junge, der in den letzten drei Jahren ein Buch zu Ende gelesen hat.«
»Du übertreibst. Aber es stimmt, dass Frauen in der Regel intelligenter sind. Vermutlich evolutionsbedingt. Wenn das Matriarchat … «
»Bitte nicht! Kein Matriarchat vor acht Uhr morgens!«
Anna brach in Gelächter aus.
In diesen Tagen herrschte fröhlichere Stimmung zwischen ihnen. Es war ganz normal,
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