Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
warf ihm einen zornigen Blick zu.
Die Frau lachte, tief und kehlig. »Sie mag dich nicht, George.«
»Nein.« Es schien ihn zu freuen.
Sie strich sich glättend über ihre Röcke, als sie auf mich zukam. Ich musste zugeben, dass sie sehr anmutig war. Ebenso wie ihr Bruder. Aber sie wirkten beide seltsam geziert, als stünden sie vor einem Spiegel, in dem sie sich selbst bewundernd beobachteten.
»Ich bin Anne Boleyn«, sagte sie.
»Und Ihr seid auch im Dienst der Königin?«, fragte ich.
Ihre großen dunklen Augen blitzten wie über einen geheimen Scherz, den ich nicht verstand. »Fürs Erste«, sagte sie, und George Boleyn brach in schallendes Gelächter aus.
»Bringt mich in die Gemächer der Königin zurück«, fuhr ich ihn heftig an.
»Sie hat Temperament«, stellte Anne fest.
»Ja, ich weiß. Und eine gute Figur. Gefällt sie dir nicht, Schwester?«
Sie musterte mich kurz, dann rümpfte sie die Nase. »Nein.«
Das ging mir zu weit.
»Ich weiß nicht, warum ich hier bin, aber ich werde jetzt gehen«, sagte ich scharf. »Meine Aufgabe ist es, der Königin zu dienen.«
Wieder lachten beide wie über einen Scherz, den nur sie beide verstanden.
»Ich glaube, sie hat keine Ahnung«, sagte George Boleyn. »Die Staffords haben es verpfuscht. Aber sie leben ja auch so weit vom Hof und können es nicht erwarten, in Gnaden wiederaufgenommen zu werden. Sie wissen gar nichts.«
»Ich verbiete Euch, meine Familie zu beleidigen, Sir«, sagte ich. »Sie ist eine der ältesten im Land. Den Namen Boleyn habe ich vor dem heutigen Tag nie gehört.«
Ohne es zu wissen, hatte ich zwei gefährliche Leute gegen mich aufgebracht. Ich hatte lediglich sagen wollen, dass ich die Familie Boleyn nicht kannte, sie aber hatten meine Worte als Beleidigung ihres guten Namens aufgefasst. Die Stimmung im Raum wurde bedrohlich. Ich wandte mich zur Tür, um den beiden zu entkommen, und wäre beinahe mit einem Pagen zusammengestoßen, der im selben Moment hereingeeilt kam.
»Der König«, meldete er atemlos.
George Boleyn nahm mich beim Arm, ich dachte, um mich hinauszuführen, dem König aus den Augen, der aus irgendeinem Grund hier vorsprach. Aber ehe ich es mich versah, hatte er mich in einen kleinen Alkoven hinter einem schweren Vorhang gezogen.
Er drückte mir die Hand auf den Mund. »Kein Wort«, hauchte er mir ins Ohr.
Ich wollte mich losreißen, aber er schlang den anderen Arm um mich und hielt mich eisern fest. Meine Gegenwehr nützte nichts.
Als ich von nebenan Stimmen hörte, gab ich den Kampf auf. Die eine Stimme gehörte dem König.
»Sie beichtet«, stöhnte er, als litte er unter den heftigsten Schmerzen. »Ich war bereit – ich war fest entschlossen, Nan. Aber sie ist bei der Beichte.«
»Es wird nicht lange dauern«, beschwichtigte ihn Anne Boleyn.
»Ich weiß gar nicht, ob heute wirklich der richtige Tag dafür ist.«
»Ihr habt es versprochen«, sagte sie in schärferem Ton. »Und dieseständigen Aufschübe sind gefährlich. Die Gerüchte nehmen immer mehr zu; Ihr habt selbst gesagt, es wäre eine Katastrophe, wenn sie ihrem Neffen, dem Kaiser, Nachricht sendete. Ihr selbst müsst es ihr sagen und Euch ihr Einverständnis geben lassen.«
Ich konnte es nicht fassen, wie diese Frau mit dem König von England sprach.
»Achtzehn Jahre Ehe – das ist nicht einfach«, jammerte er. »Ich war bereit, als ich vorhin zu ihr ging, aber jetzt …«
»Heute Abend wird es schon hinter Euch liegen, denkt daran.«
Einen Moment war es still, dann sagte er flehend: »Würdet Ihr mir erlauben –?«
»Nichts da.« Sie lachte.
»Bitte, Nan. Ich bitte Euch.«
Wieder war es eine Weile still, dann hörte ich leises Stöhnen.
Bei diesem Stöhnen wurde George Boleyn lebendig. Die linke Hand weiterhin fest auf meinem Mund, ließ er die andere über meinen Körper gleiten und umfasste meine Brust. Ich fuhr entsetzt zurück. Sehr leise, aber mit einem neuen, beängstigend rauen Ton in der Stimme flüsterte er: »Ein Laut, und es ist Euer Ende.«
Und dann schob er seine Hand in mein Kleid.
Wie viele Minuten vergingen? Ich weiß es nicht. Es können fünf gewesen sein. Oder fünfzehn. Oder viel mehr. Doch George Boleyn hielt inne, sobald der König und seine Schwester innehielten. Der König sagte etwas, sie antwortete, dann hörte ich beide umhergehen, und eine dritte Person kam ins Zimmer. Eine Minute später war es grabesstill. Alle waren gegangen.
George Boleyn zog die Strumpfhose zurecht, die sich von
Weitere Kostenlose Bücher