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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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seinem Wams gelöst hatte, und richtete seine Schamkapsel.
    »Und nun, Miss Stafford«, sagte er mit einem Lachen, »bringe ich Euch zurück in die Gemächer der Königin.« In dem Zimmer, das seine Schwester und der König soeben verlassen hatten, fügte er hinzu: »Ihr werdet mit keinem Menschen über die Sache hier sprechen. Wenn Ihr es doch tut, werde ich es leugnen. Ich bin der Favorit des Königs; er wird
mir
glauben. Oder er wird fürchten, dass dieses Gespräch mit meiner Schwester publik wird. Das könnte er niemals zulassen. Eure Eltern werden bestraft werden; Ihr und Eure Familiewerdet für immer geächtet sein. Ihr werdet nicht einmal mehr einen Ehemann finden.« Er drückte seine Lippen an mein Ohr. »Das ist allein unser Geheimnis. Und wer weiß, vielleicht lernt Ihr noch, mich zu mögen. Ich wäre der Richtige, um Euch zur Frau zu machen, meint Ihr nicht auch?«
    Auf dem Rückweg durch die Galerie konnte ich mich kaum auf den Beinen halten. Ein paarmal musste George Boleyn mich stützen, weil ich sonst gestürzt wäre. Ich weiß nicht, ob mein Zustand irgendjemandem auffiel. Es fragte jedenfalls niemand.
    Als wir vor den Gemächern der Königin angelangt waren, erschien meine Mutter. »Wo bist du gewesen? Hattest du die Erlaubnis der Königin oder von Lady Parr?« Sie musterte mich genauer. »Was ist mit dir, Joanna?«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass George Boleyn schon gegangen war. Ich weiß nicht, ob sie ihn überhaupt bemerkt hatte.
    »Der König führt eine private Unterredung mit der Königin«, sagte sie. Sie erzählte von den Freunden, die sie besucht hatte, aber sie war nervös. Einmal sah sie mich besorgt an, dann wieder blickte sie, aus anderem Grund besorgt, zum Gemach der Königin.
    Plötzlich erschien der König. Die wartenden Höflinge und Pagen scharten sich um ihn. Sein Gesicht war rot und wütend. Diese ungeheure Wut bei einem Mann seiner mächtigen Statur war erschreckend. Meine Mutter drückte sich an die Wand, als er vorüberschritt.
    Dann hörten wir die Königin. Sie schluchzte.
    Meine Mutter lief mit Lady Parr und den anderen höhergestellten Hofdamen zu ihr. Ein paar Minuten später kehrte sie mit bleichem Gesicht zurück. »Es ist unglaublich«, sagte sie. »Unglaublich. Er hat der Königin eröffnet, dass er die Ehe annullieren lassen will, sie seien nie rechtmäßig verheiratet gewesen.
Madre de Dios

    Die Königin schluchzte noch immer. Aber ihr Schluchzen sollte bald übertönt werden.
    Ein grauenvoller Schrei brach aus mir hervor und hörte erst auf, als meine Mutter mich aus dem Palast Heinrichs VIII. hinausgebracht hatte.

VIERTER TEIL

Kapitel 47
    Kloster Dartford, Januar 1538
    Lange Zeit war alles in Grau gehüllt. In ein weiches, beschirmendes, friedliches Grau. Es war, als würde ich wieder in Morgennebeln versunken auf der Themse dahingleiten. Wenn ich über den Bootsrand ins Wasser blickte, konnte ich nirgends Grund erkennen. Mein Blick fiel immer nur in eine trübe kalkgraue Brühe.
    Hin und wieder hörte ich Stimmen. Meinen Namen: »Schwester Joanna«. Manchmal auch nur »Joanna«. Ich wollte nicht sprechen. Ich wandte mich eigensinnig von ihnen ab. Ich wollte nur in diesem wohligen Grau dahintreiben.
    Aber nach einiger Zeit erschien vor mir ein Park, der mir vertraut war. Der Park von Stafford Castle, einer meiner liebsten Aufenthalte. Nichts Albtraumhaftes haftete ihm an. Ich empfand keinen Drang, zu fliehen oder mich zu verstecken. Nein, der Park nahm mich freundlich auf. Ich roch den Duft der Blumen und hörte den Gesang der Vögel und das Schwirren von Insektenflügeln.
    Doch jemand weinte, und das verdarb mir die Freude am Park. Ich blickte mich suchend um, aber es war niemand da.
    »Bitte, Schwester Joanna«, flehte eine Frau weinend. »Bitte.«
    Es war nicht zu ändern. Ich würde den Park verlassen müssen. Ich konnte die Frau nicht einfach weinen lassen   – das wäre selbstsüchtig gewesen, gedankenlos. Ich wollte auf das Weinen zugehen, aber ich konnte meine Beine nicht bewegen. Mit ganzer Kraft streckte ich mich aufwärts.
    Die farbenprächtigen Blumen und die warme Sonne verschwanden; das Grau kehrte zurück. Das Weinen wurde lauter, und endlich wusste ich, wer da weinte: Schwester Winifred.
    Da öffnete ich endlich die Augen. Ich lag auf einem Bett, undSchwester Winifreds blonder Kopf ruhte neben meinem, das Gesicht in die Laken gedrückt.
    Ich wollte den Arm nach ihr ausstrecken, aber das war viel

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