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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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»Ihr dreckigen Hunde!«
    Neben dem Wagen tauchten zwei derbe Burschen auf, die sie mit höhnischem Gelächter verfolgten. Gleich würden sie sie haben. Einige der Männer auf dem Fuhrwerk feuerten sie mit Beifallsgebrüll an.
    Einen plötzlichen Haken schlagend, rannte die Gejagte auf eine Ladenreihe zu. Dort winkte eine junge Frau an einer offenen Tür. »Hierher!«, schrie sie. Das Mädchen schoss in den Laden hinein, und die Tür flog zu. Die beiden Burschen erreichten sie Sekunden später und trommelten mit Fäusten dagegen, aber die Tür blieb ihnen verschlossen.
    Ich machte die Augen zu und sah ein anderes kleines Mädchen laufen. Acht Jahre alt, außer Atem, von Seitenstechen gepeinigt, rannte ich zwischen hohen Eibenhecken hindurch und suchte verzweifelt einen Ausgang.
    Ich hörte Menschen nach mir rufen, aber ich konnte sie nicht sehen. »Schnell, Joanna, schnell   – wir wollen gleich Tennis spielen«, riefen meine Cousins, die stark waren und hart. »Komm schon, Kind, du schaffst das«, dröhnte die unbekümmerte Stimme meines Onkels, Edward Stafford, dritter Herzog von Buckingham, Oberhaupt der Familie. »Du musst den Ausgang allein finden. Wir könnendir nicht jemanden hinterherschicken und riskieren, dass wir noch ein Kind verlieren.«
    Ich war im Irrgarten meines Onkels gefangen. Er hatte ihn gerade erst anlegen lassen   – »Ich habe meinen von einfallsreicheren Mönchen entwerfen lassen als Kardinal Wolsey«, hatte er immer wieder erklärt. Heute, am 4.   September, zur alljährlichen Geburtstagsfeier für den zweiten Herzog von Buckingham, meinen lange verstorbenen Großvater, war der Irrgarten eingeweiht worden. Alle Cousins und Cousinen wurden mit verbundenen Augen zur Mitte geführt. Dort wurden uns die Augenbinden abgenommen, dann mussten wir loslaufen. Ziel war es, als Erster den Ausgang des Irrgartens zu erreichen. »Jetzt sucht euch euren Weg! Sucht euch euren Weg!«, rief mein Onkel von jenseits der hohen verschlungenen Hecken.
    Ich gehörte zu den jüngsten und fiel sofort zurück. Zehn Minuten später war ich allein. Ich lief hierhin und dorthin, immer in der Hoffnung, dass die grünen Mauern sich vor mir öffnen und sich der Park zeigen würde, aber meine Instinkte trogen mich und führten mich nur tiefer in den Irrgarten hinein.
    »Was ist los mit dir, Joanna?«
    »Gebrauche deinen Kopf, Mädchen. Denk nach.«
    Die Stimmen wurden lauter und ungeduldiger. »Nun sei doch nicht so ein Schaf, Joanna«, rief einer meiner Stafford-Cousins und wurde von einem Erwachsenen ermahnt.
    Ich war zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geworden, genau das, was ich hasste. War ich an dieser Ecke nach rechts oder nach links abgebogen? In meiner Panik konnte ich mich nicht mehr erinnern, welche Wege ich schon ausprobiert hatte und welche nicht.
    Der Kopf schwamm mir vom Duft der Rosen. Dutzende von strenger Hand gebändigter roter Büsche sprenkelten den Irrgarten. Der Spätsommer ging zu Ende; die Rosenblätter hingen schon schlaff und locker. Und die Stunde tauiger Frische war für alle Blüten lang vorbei. Aber es waren so viele Büsche, und ich kam so oft an ihnen vorüber, dass ich den süßlich-schwülen Duft dieser müden, herrischen Rosen beinahe zu schmecken meinte.
    Als ich wieder verzweifelt um eine Wegbiegung rannte, prallte ich mit Margaret zusammen.
    Lachend fielen wir beide zu Boden, so eng umschlungen, dass sich die Perlenstickereien auf den bauschigen Ärmeln unserer Kleider miteinander verhakten. Nachdem wir uns mit einiger Mühe von einander gelöst hatten, half sie mir auf. Margaret war ein Jahr älter und zwei Zoll größer als ich und hundertmal klüger und hübscher. Meine Cousine ersten Grades. Meine einzige Freundin.
    »Margaret, wohin bist du verschwunden?«, donnerte der Herzog von Buckingham. »Wehe du hast dich heimlich in den Irrgarten geschlichen, um Joanna zu helfen.«
    »Oh, der Herzog wird böse mit dir sein«, sagte ich. »Du hättest das nicht tun sollen.«
    Margaret zwinkerte mir zu. Nachdem sie den Schmutz von meinem und ihrem Festkleid geklopft hatte, führte sie mich hinaus und hielt mich dabei die ganze Zeit an der Hand.
    Am Zugang zum Irrgarten erwarteten uns alle, der gesamte Stafford-Clan, wie es schien, mit allen unseren Bediensteten. Mein Onkel, der Herzog, in silbern schimmerndem Gewand mit einer prachtvollen Straußenfeder am Hut, stand neben seinem jüngsten Bruder, Sir Richard Stafford, meinem Vater. Ein Schatten, der in langer Bahn über den Park fiel,

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