Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
Vom Netzwerk:
Tür, auf jener Seite, zu der sie, wie ich wusste, aufschwang. Der graue Himmel färbte sich zu grellem Orange. Die Sonne hing glühend am Rand des östlichen Himmels. Schon spürte ich, wie die Luft sich erwärmte.
    Nach einer Weile hörte ich Stimmen. Zwei Männer näherten sich durch den inneren Korridor. Ich drückte mich flach an die Mauer. Die Stimmen wurden lauter; Schlüssel klirrten, die Tür flog auf.
    »Meine Frau hat in drei Stunden entbunden«, sagte ein Mann. »Könnte schon vor Mittag so weit sein.«
    Die Tür schlug hart auf meinen Körper. Ich presste die Hand auf den Mund, um den Aufschrei zu unterdrücken.
    Ein Fuß stieß etwas unter die Tür. Sie blieb offen stehen.
    »Schon möglich, aber es geht nicht immer so schnell«, sagte der andere Mann, keinen Schritt von mir entfernt. »Kann auch noch ewig dauern.«
    Sie gingen weiter. Ich hörte, wie die andere Tür geöffnet wurde und wieder zufiel. Dann war es still. Dies war meine einzige Chance.
    Ich schob mich um die Tür herum. Niemand zu sehen. Wie gejagt rannte ich den Gang hinunter, an den Zellen vorbei, in denen sich die ersten Gefangenen regten. Als ich einen verschlafenen Diener mit einem Korb kommen sah, bremste ich meinen Lauf und ginggemessenen Schrittes, den Blick zu Boden gesenkt, an ihm vorüber. Er beachtete mich gar nicht.
    Innerhalb von Minuten erreichte ich meine Zelle. Mit zitternden Händen suchte ich nach dem passenden Schlüssel und atmete auf, als ich ihn fand. Ich sperrte die Tür hinter mir ab und rannte taumelnd zu meiner Pritsche. Die Wände drehten sich um mich, als ich die Haube vom Kopf riss und sie zusammen mit den Schlüsseln unter den Strohsack schob.
    Ich fiel in einen traumlosen Schlaf, aus dem ich erst erwachte, als jemand mich anrief und zwei Hände mich grob schüttelten.
    Über mich gebeugt stand Lady Kingston, offensichtlich in Panik.
    »Was ist Euch, Miss Stafford?«, rief sie aufgeregt. »Seid Ihr krank?«
    Ich schüttelte den Kopf, zu sprechen war zu anstrengend.
    »Ihr seid so kalt, und Euer Gewand ist ganz feucht   – wie ist das möglich? Heiliger Jesus, hilf uns.« Das blassblaue Kleid, das sie trug, schmeichelte ihr nicht; sie sah Jahre älter aus als bei meiner letzten Begegnung mit ihr.
    Ungeduldig drehte sie sich um. »Bess, schnell, die Speisen und den Wein.«
    Bess, meine treue Helferin! Ihre Augen blitzten vor Erleichterung, als sie an mein Lager trat. Während sie mir schweigend zu essen und zu trinken bot, reinigte Lady Kingston mein Gesicht mit einem warmen feuchten Tuch, bürstete mein Haar und half mir eilig in ein frisches Gewand. »Warum müssen sie ausgerechnet heute kommen, wenn Königin Jane in den Wehen liegt?«, brummte sie.
    »Ach, die Königin ist es, die ihr Kind bekommt«, platzte ich heraus.
    »Wer sonst?«, versetzte Lady Kingston. »Die Wehen haben gestern in der Frühe eingesetzt. Es heißt, dass sie schwer zu leiden hat.«
    Von draußen waren Stimmen zu hören. Mehrere Männer näherten sich. Ich verspürte kaum Furcht. Dass es mir heute Morgen gelungen war, vom Wehrgang in meine Zelle zu fliehen, ohne entdeckt zu werden, hatte etwas zu bedeuten. Es war ein Zeichen. Der Pferdemeister auf Stafford Castle war ein berüchtigter Spieler, der, ob beim Kartenspiel oder Würfeln, stets auf Fortunas Gunst vertraute. »Gleich wird mein Glück sich wenden«, sagte er immer augenzwinkernd zu mir. Würde sich jetzt vielleicht
mein
Glück wenden?
    Die Zellentür flog auf, und Sir William Kingston trat ein. Der Blick, den er mit seiner Frau wechselte, schien eine Botschaft zu enthalten. Sie nickte und eilte sofort an seine Seite.
    Als Nächster erschien der Herzog von Norfolk, nicht in Reitkleidung diesmal, sondern in Pelz, mit funkelnden Ringen an den Fingern. Sein Gesicht war angespannt, er gönnte mir kaum einen Blick.
    Mein Herz schlug schneller, als der dritte Mann eintrat, vielleicht vierzig Jahre alt, in einem wallenden blütenweißen Gewand, mit einer schwarzen Kappe auf dem grau gesprenkelten dunklen Haar, das elegant geschnitten war. Die hellbraunen Augen lagen unter dunklen Brauen, die Nase sprang lang über den vollen Lippen hervor. Er war weder groß noch klein, weder schön noch hässlich.
    Er sah mich an, als wäre niemand sonst im Raum. Unter der glatten Maske seines Gesichts vibrierte etwas, das ich als Erregung deutete.
    Der Herzog von Norfolk räusperte sich. »Miss Stafford, das ist der Bischof von Winchester«, sagte er. »Er hat Fragen an Euch.«
    Ich knickste

Weitere Kostenlose Bücher