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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ich über das Kloster erhielt, war offenbar reine Erfindung.«
    Ich sah Bruder Edmund an, in der Hoffnung, er würde seinen erregten Gefährten beruhigen, aber er schwieg, in seine eigenen Gedanken vertieft.
    Jacob sah nur mich an. »Geht in die Kirche«, flüsterte er und hielt die Tür auf.
    Wir traten über die Schwelle, und Jacob schloss hinter uns ab.
    Es musste Zeit für die Komplet sein, das Nachtgebet, ein denkbar unpassender Augenblick für einen Überraschungsauftritt, noch dazu in Begleitung zweier Ordensbrüder. Aber ich wusste nicht, was ich anderes tun sollte   – Jacob hatte offensichtlich den Verstand verloren. Er war der Priorin stets so ergeben gewesen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was in ihn gefahren war.
    »Folgt mir«, sagte ich.
    Wir näherten uns dem Kreuzgang, dem von Säulenhallen umgebenen Innenhof in der Mitte der Klosteranlage, der wie ein Garten bepflanzt war. Augenblicke später hatten wir den Gang erreicht, der zur Kirche führte. Meine Freude darüber, wieder in meinem Kloster zu sein, war von Verwirrung gedämpft. Ich hörte nichts, weder Lieder noch Wechselgesänge noch gesprochenes Wort. Aber die Komplet war keine stille Andacht.
    Von dem Moment unserer Ankunft an hatte ich gespürt, dass etwas nicht stimmte. Jetzt drohte Furcht mich zu überwältigen.
    Wir traten durch den Torbogen in die schöne Klosterkirche. Wir verneigten uns, tauchten die Finger in das Weihwasserbecken und bekreuzigten uns. Erkennen konnte ich fast nichts. Weihrauch umhüllte mich in einer dichten Wolke, setzte sich in Nase, Hals und Augen. Der Geruch war betäubend, und es war nicht nur Lavendel. Ich nahm den scharf-würzigen Duft von Rosmarin wahr. Kerzen flackertenin der Apsis und erzeugten Lichtpunkte, die durch die duftenden Rauchschleier schimmerten. Ich fühlte mich leicht benebelt.
    Die Schwestern von Dartford waren alle versammelt. Zwei Dutzend Frauen standen an den ihnen zugehörigen Plätzen in den Bänken. Und jetzt, da ich mit ihnen in einem Raum war, hörte ich ihr Weinen.
    Auf der Seite der Apsis stand ein langes, schwarz verhangenes Podest, und als die Weihrauchwolken sich lichteten, wurde ein bleiches Antlitz sichtbar, das bleiche Antlitz eines Menschen, der auf dem Podest aufgebahrt lag. Was ich für einen Behang gehalten hatte, war ein weiter schwarzer Mantel.
    Ich trat einen Schritt näher, dann noch einen. Und noch einen. Ich kannte dieses Profil, diese runzligen Wangen. Dort aufgebahrt lag die Priorin Elizabeth Croessner.

Kapitel 17
    Schwester Joan Vane bemerkte mich zuerst. Sie schob sich aus ihrer Bank und eilte den Mittelgang hinunter.
    »Was tut Ihr hier?«, fragte sie in scharfem Ton. »Ihr solltet im Lokutorium sein. Und dann noch diese Brüder hier hereinzubringen.« Sie runzelte zornig die Stirn.
    Ich blieb stumm, wie betäubt vom Anblick der Priorin. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte darüber nachgedacht, was ich der Priorin Elizabeth sagen wollte, mir vorzustellen versucht, was sie mir erwidern würde, hatte schon ihre weiche, kultivierte Stimme im Ohr gehabt.
    Schwester Joan packte mich beim Arm und zerrte mich zu den Ordensbrüdern, die hinten in der Kapelle warteten. Es überraschte mich nicht, dass Schwester Joan die Führung übernommen hatte. Sie war immer eine gewissenhafte Aufseherin gewesen, unerbittlich in der Durchsetzung der Ordensregeln.
    Bruder Richard fragte: »Ist das Eure Priorin?«
    »Ja«, antwortete Schwester Joan. »Der Herr hat sie zu sich genommen.«
    Wir bekreuzigten uns. Meine Hand zitterte.
    »Wann?«, fragte Bruder Edmund.
    »Heute Morgen«, antwortete sie. »Ich wusste, dass Ihr kommen würdet, aber ich dachte nicht, dass Ihr so bald schon nach dem Boten aus London eintreffen würdet. Ich hatte noch keine Gelegenheit, die Schwestern zu unterrichten. Ich wollte ihnen vor der Bestattung Zeit mit Priorin Elizabeth gönnen.«
    Ich begann zu weinen, Schwester Joan beachtete mich gar nicht.
    »Es ist gut, dass ich hier bin«, erklärte Bruder Richard. »Es wird viel zu tun geben. Ich bin mit dem Verfahren zur Wahl einer neuen Priorin vertraut. Briefe müssen geschrieben und unverzüglich versandt werden.«
    Schwester Joan hob das spitze Kinn. Ohnehin hochgewachsen, schien sie uns in diesem Moment alle zu überragen. »Das wird nicht nötig sein.«
    »Nicht nötig?«, wiederholte er.
    »Ich bin die nächste Priorin von Dartford«, erklärte sie mit Stolz.
    Bruder Richard starrte sie an, als wäre sie nicht bei Sinnen. »Mit wessen Befugnis?«,

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