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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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für Ihren nächsten Flug?«
    Poole lächelte. Die Antwort hatte er bereits parat.

11
Hier wohnen Drachen
    Er hätte es nie für möglich gehalten, nicht einmal mit den technischen Möglichkeiten dieser Zeit. Wie viele Terabyte – Petabyte – gab es für diese Größenordnung überhaupt noch ein Zahlwort? – an Informationen hatte man wohl im Lauf der Jahrhunderte angesammelt, und in welchem Speichermedium? Am besten dachte man nicht darüber nach, sondern folgte Indras Rat: »Vergiß, daß du Ingenieur bist – und genieße die Aussicht.«
    Und das tat er, obwohl er bei aller Begeisterung eine tiefe, schmerzliche Wehmut spürte. Er flog – jedenfalls schien es ihm so – in etwa zwei Kilometer Höhe über der grandiosen Landschaft seiner Heimat, einer Landschaft, die er nie hatte vergessen können. Natürlich stimmte die Perspektive nicht, das ›Vogelhaus‹ war ja nur einen halben Kilometer hoch, aber die Illusion war perfekt.
    Er umkreiste den
Meteor Crater,
dessen Wände er damals beim Astronautentraining hatte erklimmen müssen. Unglaublich, daß man an der Entstehung dieses Berges, an der Richtigkeit seines Namens jemals gezweifelt hatte! Dennoch hatten namhafte Geologen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein behauptet, er sei vulkanischen Ursprungs; erst mit Eintritt ins Raumfahrtzeitalter hatte man – widerstrebend – akzeptiert, daß die Planeten nach wie vor unter ständigem Beschuß aus dem Weltraum standen.
    Poole flog sehr gemächlich mit einer Geschwindigkeit, die näher bei zwanzig als bei zweihundert Stundenkilometern lag, dennoch ließ man ihn Flagstaff in weniger als einer Viertelstunde erreichen. Da schimmerten schon die weißen Kuppeln des Lowell-Observatoriums, das er als Junge so oft besucht hatte. Das freundliche Personal war ohne Zweifel mit für seine Berufswahl verantwortlich gewesen. Er hatte sich oft gefragt, wofür er sich wohl entschieden hätte, wenn er nicht in Arizona geboren wäre, unweit der Stätte, wo die beständigsten und richtungweisendsten Marsphantasien gesponnen worden waren. Poole glaubte tatsächlich, dicht neben dem großen Teleskop, das ihn zu seinen Träumen beflügelt hatte, Lowells einzigartiges Grabmal ausmachen zu können.
    Aus welchem Jahr und welcher Jahreszeit mochten diese Bilder wohl stammen? Vermutlich waren es Aufnahmen der Spionagesatelliten, die zu Anfang des 21. Jahrhunderts über die Welt gewacht hatten. Sehr lange nach seiner Zeit konnte es nicht gewesen sein, denn die Stadt sah noch genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Wenn er möglichst tief ging, könnte er sich vielleicht sogar selbst sehen.
    Aber das war absurd; er hatte bereits festgestellt, daß er nicht näher herankam. Wenn er noch tiefer flog, begann sich das Bild in einzelne Pixel aufzulösen. Da war es schon besser, Abstand zu halten und den schönen Schein nicht zu zerstören.
    Da – unglaublich! – das war doch der kleine Park, wo er mit seinen Freunden aus der Grundschule und der High School gespielt hatte. Als die Wasservorräte immer knapper wurden, hatten die Stadtväter Zweifel bekommen, ob sie ihn überhaupt bestehen lassen sollten. Zu diesem Zeitpunkt – wann immer das gewesen sein mochte – hatte es ihn also noch gegeben.
    Eine neue Erinnerung trieb Poole die Tränen in die Augen. Auf diesen schmalen Pfaden war er jedesmal, wenn er von Houston oder vom Mond nach Hause kam, mit seinem geliebten Rikki, einem Rhodesian Ridgeback, spazierengegangen und hatte – das alte Spiel, das Mensch und Hund seit Ewigkeiten liebten – Stöckchen für ihn geworfen. Er hatte Rikki vor dem Start zum Jupiter seinem jüngeren Bruder Martin anvertraut und von ganzem Herzen gehofft, der Hund würde ihn bei seiner Rückkehr noch begrüßen können. Nun kam er fast aus dem Rhythmus und sackte mehrere Meter ab, bevor er sich wieder fing. Die bittere Wahrheit, daß Rikki und Martin schon seit Jahrhunderten Staub waren, hatte ihn noch einmal mit voller Wucht getroffen.
    Als sich sein Blick wieder klärte, bemerkte er, daß der Grand Canyon als schwarzer Streifen am fernen Horizont aufgetaucht war. Er überlegte, ob er noch hinfliegen sollte – er war schon etwas müde – als ihm bewußt wurde, daß er nicht allein am Himmel war. Irgend etwas kam auf ihn zugeflogen, und es war mit Sicherheit kein Mensch. Dafür war die Gestalt zu groß, auch wenn Entfernungen hier nur schwer zu schätzen waren.
    »Eigentlich«, dachte er, »braucht es mich nicht zu wundern, wenn ich einem Pterodaktylus

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