Die letzte Odyssee
›noch in diesem Jahrzehnt‹ zum Mond fliegen wollten, doch das muß den meisten Menschen wie ein ferner Traum erschienen sein. Als am
29.
Dezember 1965 bei bitterer Kälte im Süden von London 6 die Dreharbeiten begannen, wußten wir nicht einmal, wie die Mondoberfläche aus der Nähe aussah. Noch befürchtete man, das erste Wort eines Astronauten beim Verlassen des Raumschiffs könne nur ein Hilfeschrei sein, weil er sofort im Mondstaub versänke wie in einer Schicht Talkumpuder. Alles in allem hatten wir gar nicht so schlecht geraten. Nur daran, daß unsere Mondlandschaften sehr viel schroffer ausfielen, als sie in Wirklichkeit sind – nachdem sie seit undenklichen Zeiten vom Meteorstaub sandgestrahlt wurden –, ist zu erkennen, daß 2001 in der Zeit vor den
Apollo
-Missionen gedreht wurde.
Heute lacht man darüber, daß wir unsere riesigen Raumstationen, die Hilton Hotels im Orbit und die Jupiterexpeditionen bereits für das Jahr 2001 prognostizierten. Man kann sich kaum noch vorstellen, daß man damals, in den sechziger Jahren, allen Ernstes feste Mondbasen und Landungen auf dem Mars plante – bis 1990! Ich selbst habe unmittelbar nach dem Start von
Apollo 11
im CBS-Studio mit angehört, wie der Vizepräsident der Vereinigten Staaten in überschäumender Begeisterung ausrief: »Und jetzt kommen wir bis zum Mars!«
Wie sich herausstellte, hatte er Glück, nicht ins Gefängnis zu kommen. Dieser Skandal sowie Vietnam und Watergate sind einer der Gründe, warum jene optimistischen Szenarien niemals umgesetzt wurden. Als im Jahre 1968 Film und Buch von
2001 Odyssee im Weltraum
erschienen, dachte ich mit keinem Gedanken an eine Fortsetzung. Doch 1979 startete tatsächlich eine Mission zum Jupiter, und wir bekamen die ersten Bilder von dem Riesenplaneten und seiner erstaunlichen Mondfamilie. Die
Voyager-
Sonden 7 waren natürlich unbemannt, aber die Bilder, die sie schickten, machten aus Lichtpünktchen – mehr hatten selbst die leistungsstärksten Teleskope nicht gezeigt – richtige Welten mit überraschenden Eigenschaften. Ios unentwegt ausbrechende Schwefelvulkane, Callistos von zahllosen Einschlägen zernarbtes Antlitz, Ganymeds bizarre Landschaft – es war fast, als hätten wir ein neues Sonnensystem entdeckt. Ich konnte der Versuchung, es zu erkunden, nicht widerstehen, und so wurde
Odyssee 2010
geboren. Natürlich reizte mich auch die Chance zu verfolgen, wie es mit David Bowman weiterging, nachdem er in jenem mysteriösen Hotelzimmer aufgewacht war.
Als ich 1981 mit dem neuen Buch anfing, war der Kalte Krieg noch in vollem Gange. Mit der Darstellung einer gemeinsamen russisch-amerikanischen Mission begab ich mich auf gefährliches Terrain – und machte mich auf herbe Kritik gefaßt. Meine Hoffnung auf künftige Zusammenarbeit betonte ich noch, indem ich den Roman dem Nobelpreisträger Andrej Sacharow (er lebte damals im Exil) und dem Kosmonauten Alexej Leonow widmete. Als ich letzterem in ›Star Village‹ sagte, daß ich das Schiff nach ihm benennen würde, rief er, temperamentvoll, wie er nun einmal war: »Dann muß es ein gutes Schiff sein!«
Noch heute kann ich es kaum fassen, daß Peter Hyams für seine ausgezeichnete Verfilmung im Jahre 1983 echte Nahaufnahmen von den Jupitermonden zur Verfügung hatte, die bei der
Voyager
-Mission entstanden waren (bei einigen hatte das Jet Propulsion Laboratory, von dem auch die Originale stammten, mit dem Computer noch einiges herausholen können). Weit bessere Bilder erwartete man sich jedoch von der Galileo-Mission, die die größeren Satelliten über einen Zeitraum von vielen Monaten genauestens beobachten sollte. Bisher hatten wir nur Daten von einem kurzen Vorbeiflug gehabt, nun würden wir sehr viel mehr über dieses neue Gebiet erfahren – und ich hätte keine Ausrede mehr,
Odyssee III
nicht zu schreiben.
Leider wurde der Weg zum Jupiter von einem tragischen Ereignis überschattet. Man hatte geplant,
Galileo
1986 mit dem Space Shuttle auszusetzen – doch das war nach der
Challenger
-Katastrophe nicht mehr möglich, und bald stellte sich heraus, daß wir auf mindestens zehn Jahre nicht mit neuen Informationen über Io, Europa, Ganymed und Callisto rechnen durften.
So lange wollte ich nicht warten. Die Rückkehr des Halley’schen Kometen ins Innere des Sonnensystems (1985) war ein Thema, das sich förmlich aufdrängte. Sein nächstes Erscheinen im Jahre 2061 war ein ausgezeichneter Anlaß für eine dritte
Odyssee,
da ich jedoch nicht sicher war,
Weitere Kostenlose Bücher