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Die letzte Odyssee

Die letzte Odyssee

Titel: Die letzte Odyssee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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begegne – was habe ich denn erwartet? Hoffentlich will er mir nichts Böses – sonst kann ich nur hoffen, daß ich schneller bin als er. Oh nein!«
    Es wäre fast ein Volltreffer gewesen, vielleicht acht Punkte auf einer Zehnerskala, aber was da mit langsamen Schlägen seiner mächtigen Lederschwingen auf Poole zukam, war eben doch kein Pterodaktylus, sondern ein Drache direkt aus dem Märchen. Und der Vollständigkeit halber saß auch noch eine wunderschöne Prinzessin auf seinem Rücken. Zumindest nahm Poole an, daß sie wunderschön war. Eine winzige Kleinigkeit störte nämlich das Bild: das Gesicht der vermeintlichen Prinzessin wurde fast völlig von einer großen Fliegerbrille verdeckt, die eher ins offene Cockpit eines Doppeldeckers aus dem Zweiten Weltkrieg gepaßt hätte.
    Poole hielt unvermittelt an und trat Wasser wie ein Schwimmer, bis das Monster so nahe war, daß er das Klatschen der Riesenschwingen hören konnte. Auch aus knapp zwanzig Metern Entfernung war nicht zu unterscheiden, ob es sich um eine Maschine handelte oder um ein Biokonstrukt: wahrscheinlich von beidem etwas.
    Dann nahm die Reiterin ihre Brille ab, und der Drache war vergessen.
    Irgendein Philosoph hat einmal, vermutlich unter lautem Gähnen, bemerkt, Klischees seien deshalb so langweilig, weil sie immer wahr seien.
    Aber ›Liebe auf den ersten Blick‹ dürfte zu keiner Zeit langweilig sein.
     
    Danil konnte ihm nicht weiterhelfen, aber das hatte Poole auch nicht erwartet. Sein allgegenwärtiger Begleiter – denn zu einem Kammerdiener im klassischen Sinn reichte es wohl doch nicht ganz – zeigte sich in vieler Hinsicht so beschränkt, daß Poole manchmal den Verdacht hatte, er sei geistig behindert. Doch das war unwahrscheinlich. Danil konnte mit allen Haushaltsmaschinen umgehen, führte einfache Anweisungen rasch und geschickt aus und fand sich im Turm ohne Mühe zurecht. Aber das war auch schon alles. Eine intelligente Unterhaltung mit ihm war unmöglich, und auf höfliche Fragen nach seiner Familie erntete man lediglich einen verständnislosen Blick. Poole hatte sogar schon überlegt, ob er vielleicht ein Bioroboter sein könnte.
    Erst Indra konnte ihm die gewünschte Antwort geben.
    »Ach, du bist der Drachenreiterin begegnet!«
    »So nennt ihr sie also? Wie heißt sie wirklich – kannst du mir ihren Identifikator beschaffen? Ein Handflächendruck war unter diesen Umständen nicht gut möglich.«
    »Natürlich – null Problemo.«
    »Wo hast du das denn aufgeschnappt?« Indra schien verwirrt, eine Seltenheit bei ihr. »Keine Ahnung – aus einem alten Buch oder einem Film. Ist das denn kein guter Ausspruch?«
    »Nicht, wenn man älter als fünfzehn ist.«
    »Ich werde es mir merken. Und jetzt erzähle mir endlich, was passiert ist – sonst werde ich noch eifersüchtig.«
    Sie waren inzwischen so gute Freunde, daß sie über alles offen sprechen konnten. Sie hatten sich sogar schon lachend gestanden, keinerlei romantische Gefühle füreinander zu hegen – allerdings hatte Indra bei anderer Gelegenheit bemerkt: »Wenn wir beide auf einem Wüstenasteroiden strandeten und es keine Hoffnung auf Rettung gäbe, würde sich vermutlich schon etwas entwickeln.«
    »Zuerst will ich wissen, wer sie ist.«
    »Sie heißt Aurora McAuley und ist neben vielem anderem Vorsitzende des ›Vereins zur Erschaffung von Anachronismen‹. Wenn dich Draco schon so sehr beeindruckt hat, dann warte mal, bis du die anderen – äh – Geschöpfe dieser Gesellschaft zu sehen bekommst. Moby Dick zum Beispiel – oder den Zoo voller Dinosaurierarten, die Mutter Natur niemals eingefallen wären.«
    Das ist zu schön, um wahr zu sein, dachte Poole. Schließlich bin ich der größte Anachronismus auf dem Planeten Erde.

12
Abgeblitzt
    Bis zu diesem Moment hatte er nie mehr an das Gespräch mit dem Psychologen der Weltraumbehörde gedacht.
    »Sie werden die Erde für mindestens drei Jahre nicht wiedersehen. Wenn Sie wollen, lasse ich Ihnen ein harmloses Anaphrodisiakum implantieren, dessen Wirkung für die Dauer der Mission anhält. Und nach Ihrer Rückkehr werden Sie großzügig entschädigt, das verspreche ich Ihnen.«
    »Nein, danke.« Poole hatte keine Miene verzogen. »Ich glaube, ich komme schon klar.«
    Trotzdem war er – genau wie Dave Bowman – nach drei oder vier Wochen mißtrauisch geworden.
    »Ich hab’s auch schon gemerkt«, sagte Dave. »Wetten, daß uns die verdammten Ärzte etwas ins Essen gemischt haben?«
    Das Präparat – falls es

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