Die letzte Offenbarung
etwas ganz automatisch an.«
Mafalda neigte verstehend den Kopf. »Unter normalen Umständen wären Sie natürlich niemals so weit gekommen, unser Sicherheitsdienst war nur gerade beschäftigt — am entgegengesetzten Ende des Geländes. Ab und zu gibt es solche Schwierigkeiten. Sie können sich ja nicht vorstellen, wie neugierig die Leute sind. Vorhin haben wieder irgendwelche Menschen versucht, über den Zaun zu klettern.«
»Gibt es deshalb keine Elektrizität?«, fragte Rebecca. »Also abgesehen von Ihren Generatoren mit ein paar tausend Volt.« Sie deutete in die Runde, wo nur noch die Reifenspuren des Kamerawagens von der unterbrochenen Drehsequenz zeugten.
»Auch.« Mafalda hatte ihre Haarklemmen mittlerweile vollständig gelöst und suchte in der Bluse und Reithose ihres Kostüms nach einer Tasche.
Die letzten Wochen war es eher ruhig, aber vorhin haben wieder irgendwelche Menschen versucht, über den Zaun zu klettern . Amadeo warf Rebecca einen Blick zu. »Niketas' Männer?«, formten seine Lippen lautlos.
Rebecca hob die Schultern.
Mafalda suchte noch immer nach einem Platz für ihre Haarklemmen. »Waren die unpraktisch damals«, murmelte sie. Sie hielt Amadeo die Klemmen hin. »Für Sie — nicht für eBay.«
Amadeo wollte widersprechen, doch dann verkniff er sich eine Bemerkung. Mafaldas Kopfputz vom Set ihres ersten Kinofilms — die Welt war verrückt genug, und vermutlich ließ sich damit sogar ein Geschäft machen. Isidors Manuskript, Mafaldas Haarklemmen: Die Begehrlichkeiten des Menschen waren vielfältig.
»Wir wollen natürlich vermeiden, dass etwas von dem Dreh bekannt wird«, erklärte Mafalda. »Aber irgendwann sickert immer was durch. Heute Abend drehen wir da drüben«, sie machte eine Handbewegung in eine unbestimmte Richtung, »im Kloster Strahov. Das wird sehr eindrucksvoll, und ich würde mich freuen, wenn Sie mitkämen.«
»Was ist das für ein Film?«, fragte Rebecca. »Ein historischer Stoff?«
»Eine Neuverfilmung von Virginia Woolfs Orlando , allerdings ein bisschen aufgepeppt. Die Kampfsequenzen sind dem Regisseur besonders wichtig. Er will keine digitale Nachbearbeitung diesmal, nicht wie in Kill Bill oder Matrix oder so. Wir trainieren seit Monaten.«
Seit Monaten, dachte Amadeo, unter striktem Ausschluss der Öffentlichkeit, und jetzt kommt sie gar nicht mehr raus aus der Plauderei. Warum nur? Das musste der verlockende Name New York Times sein. Wie es aussah, konnte selbst eine Mafalda Ruskowskaja schwer widerstehen, wenn das große liberale Blatt der amerikanischen Ostküste mit einem Aufmacher winkte.
Rebecca hatte bereits einen Notizblock gezückt.
»Ich kann Ihnen nachher noch Material geben«, fuhr Mafalda fort. »Aber das ist auch nur einer von mehreren Gründen, aus denen wir keine Elektrizität wollen. Nichts Modernes.« Sie blieb einen Augenblick stehen und legte den Kopf in den Nacken, um die Villa zu betrachten.
»Ein Traum«, sagte Rebecca. Sie sagte nicht, was für eine Art von Traum sie meinte.
»Das ist sie«, sagte Mafalda, offenbar ohne die Mehrdeutigkeit zu bemerken. »Das war sie schon, bevor wir sie nach den Plänen meiner verehrten Meisterin veränderten. «
»Madame Istvana?«, fragte Amadeo.
»Madame Istvana«, bestätigte die Sängerin. »Sie zieht sich tagsüber in ihre Räume zurück, aber vielleicht haben Sie Glück und können sie heute Abend kennenlernen.« Im Gehen knöpfte sie jetzt auch ihre Bluse auf und streifte sie ab. Darunter trug sie einen eng anliegenden Sportanzug aus glänzendem Lycra, der jedes Detail ihres elfenhaften Oberkörpers nachzeichnete.
»Madame Istvana mag wohl keinen elektrischen Strom?«, fragte Rebecca ihre Gastgeberin.
»Im ganzen Haus gibt es keinen«, stimmte Mafalda zu. »Es wäre diesem Ort nicht angemessen. Sie müssen wissen«, nachdenklich ruhte ihr Blick zunächst auf Rebecca, dann auf Amadeo, »dass dies ein besonderer Ort ist. Seit Jahrhunderten kommen die Menschen hierher, um die Wasser einer Quelle zu verehren, die dort drüben zwischen den Bäumen hervorsprudelt. Es ist ein heiliger Ort für all jene, die Augen haben, die Wahrheit zu sehen.« Sie zögerte kurz. »Das ganze Gelände ist natürlich ein ideales Setting für den Dreh. Kommen Sie mit, und sehen Sie selbst.«
Sie hatten den Eingangsbereich der Villa erreicht und stiegen hinter Mafalda die geschwungene Freitreppe empor. Schon die Art, wie sie ging, nein, zu schweben schien, ließ an ein Wesen aus einer anderen Welt denken. Der
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