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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Die Zeit war eingefroren. Er sah wieder zu Mafalda.
    Wortlos erhob sie sich, mit langsamen, fließenden Bewegungen. Sie sah ihn noch einmal an, wandte sich dann ab und schien, ja, wie durch einen Schleier zu schreiten und...
    Sie war verschwunden.
    Amadeo zwinkerte. Wo eben noch eine massive Wand gewesen war, schien sich jetzt eine Öffnung zu befinden. Ein Durchlass, ein Torweg. Sie müssen wissen, dass dies ein besonderer Ort ist . Nein, er weigerte sich, an solchen Hokuspokus zu glauben. Amadeo Fanelli aus den Marken war ein Wissenschaftler, der nur das glaubte, was man sehen und anfassen konnte.
    Jetzt sah er einen Durchlass in der Wand.
    Amadeo erhob sich. Es war seltsam: Er hatte das Gefühl, sich wie in Zeitlupe zu bewegen, und da war noch immer der seltsame Nebel, der wie ein Schleier über dem Raum lag. Der merkwürdige, schwere Duft, der ihm beim Betreten des Salons aufgefallen war — von diesem Nebel ging er aus.
    Amadeo sah sich um zu Rebecca. Sie schlief, nein, dämmerte vor sich hin und wiegte den Kopf wie im Takt einer Musik, die einzig sie zu hören vermochte. Er traf eine Entscheidung, trat durch den Schleier, durch die Öffnung in der Wand — und fand sich in einem Raum wieder, der exakt denselben Grundriss besaß wie der Salon, den er eben verlassen hatte.
    Auch hier gab es mehrere Fenster, die auf den Garten wiesen, auch hier gab es die Chaiselongue — allerdings war sie leer, ohne Rebecca darauf.
    Auf dem Stuhl am Schreibtisch saß eine Frau.
    Doch es war nicht Mafalda. Suchend sah Amadeo sich um. Die nymphenhafte Sängerin war verschwunden – und der Raum besaß keine zweite Tür! Allerdings hatte auch der Salon, in den Mafalda sie zuerst geführt hatte, keine zweite Tür besessen.
    Die uralte Frau auf dem Stuhl war in ein formloses dunkles Gewand gehüllt und betrachtete Amadeo durchdringend. Ihre Augen waren schwärzer als die Mitternacht, bis ins Innerste seines Seins schienen sie zu dringen, wie der Stahl eines Chirurgen, der Schicht um Schicht freilegt, bis er... Amadeo schauderte, doch er konnte sich diesem Blick nicht entziehen.
    »Sie kommen um des Isidors willen«, sagte eine Stimme, doch die Lippen der Alten bewegten sich nicht.
    Amadeo betrachtete die Frau mit offenem Mund. Der Geruch, der seltsame, schwere Duft, war noch stärker geworden.
    »Ich habe lange auf Sie gewartet«, fügte die Stimme an.
    Amadeo versuchte sich zu Rebecca umzudrehen. Nein, Rebecca war gar nicht hier, sondern in dem anderen Raum. War der Durchlass zu diesem Raum überhaupt noch vorhanden? Der Schleier machte die Dinge undeutlich.
    »Wir sind so schnell wie möglich gekommen«, hörte Amadeo sich sagen.
    »Zeit.« Die Alte machte eine Pause, als wollte sie die Bedeutung des Wortes illustrieren. Die Zeiger der Uhr verharrten noch immer auf zwanzig Sekunden vor sechs am Abend. Weder Amadeos Herz noch sein Atem regte sich. »Solange nichts geschieht, lässt sich nicht messen, wie die Zeit vergeht. Wie vergeht die Zeit, wenn es keine Zeugen gibt? Vergeht sie überhaupt?«
    »Sie sind Madame Istvana«, sagte Amadeo. »Was wollen Sie von mir? Gehören Sie zu Niketas?«
    Madame Istvana ging auf seine Frage nicht ein. »Sie wollen den Isidor?«, fragte die Stimme stattdessen. »Was, wenn ich Ihnen sage, dass Sie zu spät kommen?«
    »Der Isidor ist nicht mehr hier?«
    »Schon seit sehr langer«, die alte Frau schloss kurz die Augen, und Amadeo schrak zurück. Er hielt einen ledergebundenen Codex in Händen, »Zeit«, vollendete sie den Satz nach einer Pause.
    Amadeo starrte auf das Buch. Es musste einer der Bände sein, die auf dem Sekretär gelegen hatten.
    »Die Zeit tut seltsame Dinge, wenn Sie nicht auf sie achtgeben, Amadeo.«
    »Amadeo?«, murmelte er. »Mein Name ist Fausto, äh, Perpetto.«
    »Sie können mich nicht täuschen«, erwiderte die Alte. »Ihre Masken können Sie nicht verbergen. Hinter den Masken sehe ich die Schatten der Dinge.«
    »Was wollen Sie von uns?«, wiederholte Amadeo. Panik stieg in ihm auf, doch noch immer vermochte er sich nicht zu rühren. »Was wollen Sie von mir? Das Buch ist doch hier.«
    »Nicht dieses Buch«, sagte die Stimme. Madame Istvana musterte ihn unverwandt. »Schlagen Sie es auf.«
    Amadeo öffnete den Folianten, und der muffige Geruch alten Pergaments stieg ihm entgegen. Er gehörte mit derselben Selbstverständlichkeit zu seinem Beruf wie die nächtelangen unbezahlten Überstunden in der Restauratorenwerkstatt. Völlig unvorbereitet überkam ihn eine tiefe

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