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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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endlich einmal etwas, das tatsächlich noch älter war als die Johannes-Manuskripte.
    Einige Besucher unterhielten sich fast im Flüsterton, ohne von ihnen Notiz zu nehmen. Amadeo suchte nach einer Auskunftstheke, wandte sich dann aber an einen älteren Herrn mit sorgfältig onduliertem, grau meliertem Haar, der ein Namensschild an seinem dunklen Anzug trug und aussah, als warte er nur darauf, Fragen zu beantworten.
    »Buon giorno.«
    Der ältere Herr blickte auf und hob eine Augenbraue, als er Rebecca erblickte, die halb hinter Amadeos Rücken stand. Anscheinend kam er zu der Ansicht, dass die junge Frau nicht wirklich unzüchtig gekleidet war, sondern höchstens ein wenig... sonderbar. Mit einem Nicken erwiderte er Amadeos Gruß.
    »Wir haben ein appuntamento in der Biblioteca Apostolica«, sagte Amadeo und ließ den Dialekt der Marken etwas stärker herausklingen. Vielleicht half das. »Frater Taddeo Maffei erwartet uns.«
    »Frater Maffei«, murmelte der Mann, tastete in seiner Anzugjacke und brachte ein Handy zum Vorschein.
    Ungläubiges Staunen im Blick ließ Amadeo seine Augen umherschweifen. Er war ein Heimatforscher aus den Marken, hämmerte er sich ein, möglicherweise zum ersten Mal hier. Was er sah, musste ihn beeindrucken, ja, schier erschlagen: die erhabene Pracht um ihn herum, die Scala Simonetti, die zwischen Säulen hindurch zur altägyptischen Abteilung führte, die Kassettendecken der Gewölbe.
    »Ihr Name?«, fragte der graumelierte Herr.
    »Fe... Ferdosi. Pater Ferdosi aus den Marken. Frater Maffei erwartet uns.«
    Amadeo schwitzte Blut und Wasser. Zur Hölle, unter welchem Namen hatte der commandante sie angemeldet? Er konnte nur hoffen, dass Maffei die richtigen Schlüsse zog, wenn er einer von »ihren« Leuten war.
    Von Rebecca kam kein Signal. Wahrscheinlich bemühte sie sich, die staunende Unschuld vom Lande zu spielen. Für Amadeo sah sie in den verwaschenen Jeans eines namenlosen Flugbegleiters mehr denn je aus wie die geheimnisvolle Amazone, die sie war. Er wagte es nicht, sich zu ihr umzudrehen.
    »D'accordo.« Der Mann beendete das Gespräch. »Frater Maffei empfängt Sie gerne. Kennen Sie den Weg?«
    Amadeo hatte einige Male in der Biblioteca Apostolica zu tun gehabt und war sich sicher, dass er den Weg dorthin finden würde, wenn auch nicht bis vor Frater Maffeis Schreibtisch. Bedauernd schüttelte er den Kopf und hörte aufmerksam zu, wie der grau melierte Herr ihnen die Route durch die Profanabteilung erklärte und die einzelnen Treppenhäuser benannte. Der Verbindungsmann des commandante saß beinahe unter dem Dach, zwischen dem Tone dei venti und dem Herzen der Apostolischen Bibliothek, dem Saal Sixtus V.
    »Denken Sie, Sie finden das?«, fragte der ältere Herr geduldig.
    »So Gott will«, erwiderte Amadeo mit verklärter Miene, in Anbetracht der Umstände eine einigermaßen gewagte Bemerkung.
    Der Mann schluckte sie, und Amadeo bedankte sich. Gemessenen Schrittes schlugen sie die gewiesene Richtung ein.
LXXIII
    Frater Taddeo Maffei war ein Zwerg. Amadeo hatte im ersten Moment geglaubt, der Benediktiner sitze auf einem niedrigen Stuhl hinter seinem von Schriftstücken überquellenden Tisch, doch in Wahrheit stand der Mann aufrecht und beäugte seine Besucher missvergnügt.
    Sein moderner Arbeitsplatz, ausgestattet mit ganzen Batterien von Computermonitoren und Scannern, war ein seltsamer Anachronismus inmitten der ihn umgebenden Räumlichkeiten, die nur so strotzten von vergangener Pracht, halb unsichtbar unter einem Schleier von Firnis. Wie ein Spotlight hob ein Quadrat aus Neonröhren Maffeis Arbeitstisch aus dem Halbdunkel. Der Benediktiner wirkte zwischen seinen Aktenbergen wie der kleinwüchsige Star einer Revueaufführung — mit deckenhohen Regalen verstaubter Bücher als stummem Publikum.
    Amadeo wusste, es war unhöflich, aber er konnte nicht anders: Er starrte Frater Maffei an und fragte sich, ob tunica und cuculla in dieser Größe irgendwo serienmäßig hergestellt wurden oder ob der mit Sicherheit weniger als eins fünfzig große Mann eine Sonderanfertigung trug.
    »Wollte gerade Feierabend machen«, grummelte der Benediktiner mit griesgrämiger Miene und kam hinter seinem Tisch hervor. Die Deckenlampen spiegelten sich in seiner Glatze, als wäre sie sorgfältig poliert. »Aber wenn die Firma ruft«, fügte Maffei an und bemühte sich um einen etwas aufgeräumteren Gesichtsausdruck. »Was habt ihr denn wieder ausgefressen da oben?«, sprach er nun Rebecca an. Das

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