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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Sant'Ufficio ihn längst nicht mehr hören konnten. »Das erleichtert und stimmt ein auf...«
    »Wenn du noch einmal solchen Bockmist baust, kannst du dich auf was ganz anderes einstimmen!«, zischte sie. »Der Kerl mit der Glatze ist Bracciolinis Privatsekretär und was weiß ich noch alles.«
    »Was denn noch?«, fragte er leise. Sie hatten inzwischen den Durchgang erreicht. Dahinter befand sich ein kleinerer Platz, rechts von ihnen der mächtige Bau von San Pietro und links eine Mauer, über die Palmen und andere exotische Bäume hinwegsahen: die grüne Oase der uralten Begräbnisstätte für deutsche Pilger.
    »Na, ich bitte dich: Privatsekretär.« Sie machte eine wegwerfende Geste. »Was ist das denn anderes als eine höfliche Umschreibung dafür, dass die beiden einander in etwas mehr als christlicher Nächstenliebe verbunden sind?«
    »Bracciolini?«, keuchte Amadeo.
    »Leiser!« Rebecca stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. Sie musste sich seine kaputte Rippe genau gemerkt haben.
    »Hast du nicht gehört, was er in Maria Laach gesagt hat?«, flüsterte er unter Schmerzen. »Mit dem Erhitzen in den Lüsten und der Schande und dem Lohn, den jene empfangen, die... du weißt schon.«
    »Na und?« Sie schob ihre Baseballkappe zurecht. »Weiter geradeaus, da links ist die Sakristei mit der Schatzkammer. Wir gehen unter den Bogen durch.«
    Amadeo gehorchte. Es gab zwei Durchfahrten kurz hintereinander. An der vorderen standen noch einmal Schweizergardisten, doch sie ließen den vermeintlichen Pater und die junge Frau passieren. Der Durchgang war schmal. Einschüchternd ragten links und rechts von ihnen die heiligsten Gebäude der römischen Kirche auf.
    Im Herzen des Feindes, dachte Amadeo. Er war im Herzen des Feindes. Jetzt trug er sogar das Gewand der größten geistlichen Macht auf Erden. Er war ein Nichts, ein Niemand — und doch... Ihm, dem Restaurator Amadeo Fanelli aus den Marken, konnte gelingen, woran Nero und seine Nachfolger, woran die Kalifen des Islam und die Philosophen der europäischen Aufklärung gescheitert waren: Er konnte die römische Kirche vernichten. Doch es gab einen Unterschied zu all jenen, die diesen Versuch bisher unternommen hatten: Er war sich noch immer nicht sicher, ob er das tatsächlich wollte. Zweitausend Jahre der Zivilisation, der Gedanke wollte aus seinem Kopf nicht weichen. Zweitausend Jahre der Zivilisation.
    Sie traten auf einen neuen Hof hinaus, rechts von ihnen noch immer San Pietro — die gewaltige Südapsis der größten Kirche der Christenheit ragte in den Hof hinein — links von ihnen mehrere ältere und neuere Bauwerke. Noch als Schüler war Amadeo im Jahr vor seiner Matura zum ersten Mal in Rom gewesen und hatte damals auch an einer Führung durch den Vatikan teilgenommen. Diesen Bereich des Kirchenstaats hatte er seitdem nie wieder betreten, trotzdem kannte er die Namen einiger Gebäude. Der moderne Klotz dort drüben war das Gästehaus St. Marta, und dort, vor ihnen, begannen die Vatikanischen Gärten, aus denen ein beeindruckendes Palais des achtzehnten Jahrhunderts ragte: das Staatssekretariat, Bracciolinis Zentrale.
    Übergangslos begann Amadeo zu frösteln. Unzählige Fenster blickten auf sie herab, aus denen unsichtbare Augen jeden ihrer Schritte verfolgten. Bracciolinis Männer hatten ihre Fährte in Oxford nicht verloren und auch in Maria Laach nicht. Görlitz würde auch nach dem Misserfolg in Prag nicht aufgeben, und wie viele Männer und welche Mittel dem Kardinalstaatssekretär sonst noch zur Verfügung standen, mochte Amadeo sich gar nicht ausmalen. Auf einmal fiel es unsagbar schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    »Sagen Sie, Monsignore, was ist das dort drüben?« Rebecca legte leicht die Hand auf seinen Arm, doch im nächsten Augenblick schlossen sich ihre Finger fast schmerzhaft um sein Handgelenk.
    Sie deutete nach rechts, aber ihr Blick ging in die entgegengesetzte Richtung. Amadeos Augen folgten nicht dem ausgestreckten Arm, sondern...
    Sie waren zu dritt.
    Eilig kamen sie zwischen dem Gästehaus St. Marta und dem benachbarten Gebäude hervor, offenbar auf dem Weg zum Staatssekretariat. In der Mitte ging der Blondschopf, den Arm noch immer in einer Schlinge, und auch die beiden anderen kamen Amadeo vertraut vor. Er erstarrte, war sich jedoch gleichzeitig sicher, dass Bracciolinis Männer sie noch nicht bemerkt hatten. Für einen Augenblick gerieten sie hinter einer Baumgruppe außer Sicht, doch wenn die Residenz des

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