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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Was dem Papst recht war, das war dem Rest des Klerus billig. Die meisten mittelalterlichen Fälschungen sind popelige Besitzurkunden. Halb Italien oder eine Kuhweide am Ende der Welt — der Unterschied liegt in der Quantität, nicht in der Qualität und ganz bestimmt auch nicht in der kriminellen Energie dieser Menschen. In den Klöstern und ihren Scriptorien saßen sie an der Quelle — und wer weiß nach ein paar Jahrhunderten noch, wie ein Diplom Ottos I. ausgesehen hat? Das Drumherum, die protokollarischen Notizen, die Liste der Urkundenzeugen, das kann man alles irgendwo abschreiben. Wenn Sie solchen Fälschungen auf die Schliche kommen wollen, müssen Sie auf die Schrift achten, Amadeo. Darin verraten sie sich! Das ist nicht, als wenn Sie heutzutage in großen Druckbuchstaben schreiben. Eine Unziale des achten Jahrhunderts und eine des dreizehnten — das sind Welten. Selbst wenn der Schreiber sich Mühe gibt.«
    »Der Schreiber meines Papyrus...«
    »Könnte tatsächlich...« Helmbrecht sah misstrauisch in die Runde. »Sie wissen, was ich Ihnen gesagt habe. Ich habe bisher keinen Grund, an eine Fälschung zu glauben. Jetzt möchte ich erst einmal wissen, was drinsteht. Vorher kann ich das cui bono nicht beurteilen.« Er hob abwehrend die Hand, als Amadeo berichten wollte. »Nein«, bat Helmbrecht. »Sagen Sie nichts! Ihr Altgriechisch ist über jeden Zweifel erhaben, doch erinnern Sie sich, was Sie mir selbst am Telefon gesagt haben. Ich sollte unvoreingenommen an diese Handschrift gehen, und das werde ich auch tun. Ich werde mir selbst ein Bild machen.«
XII
    »Stattlich, stattlich, mein Lieber.« Helmbrechts Hand tätschelte den Marmor der elegant geschwungenen Balustrade. Amadeo grinste. Das Foyer des Bürogebäudes, in dem die officina untergebracht war, war recht eindrucksvoll. »Als Restaurator kann man es zu etwas bringen. Ich hab's Ihnen immer schon gesagt.«
    »Unsere Werkstätten nehmen nur eine Etage ein«, schränkte Amadeo ein. »Allerdings will ich nicht wissen, was die Miete kostet.«
    »Repräsentation, mein Junge!«, sagte der Professor wissend. »Wenn Sie ein erfolgreiches Unternehmen führen, müssen die Kunden das auch sehen. Und wenn Sie nicht ganz so erfolgreich sind, ist es noch viel wichtiger, dass es danach aussieht. Der Heilige Stuhl ist das beste Beispiel, denn die haben noch das ganze alte Zeremoniell — und das macht Eindruck. Nicht dumm, gar nicht dumm. Ist das der Aufzug?«
    Amadeo nickte. Das war nicht schwer zu erraten. Neben der holzverkleideten Schiebetür verkündete eine Travertintafel, welche Firma in welcher Etage zu finden war.
    Helmbrecht zog eine Halbbrille aus der Hemdtasche und studierte die Aufschriften. »Sagt mir alles nichts. Was machen die hier? Duftwässerchen?«
    »Ein Bestattungsunternehmen«, antwortete Amadeo.
    »Hauptsache mit Stil«, murmelte Helmbrecht und hob seinen Stock, um geschickt gegen die Markierung zu drücken, die den ascensore öffnete.
    Fast lautlos glitten die Türen auf. Amadeo hatte bereits die Taste für die fünfte Etage gedrückt, als sich mit einer gemurmelten Entschuldigung noch ein Mann in einem dunklen Anzug hereinschob. Er drückte einen Knopf zwei Stockwerke über der officina . Sanft fuhr der Fahrstuhl an. Helmbrecht schwieg jetzt und betrachtete unverwandt die Anzeigetafel. Zweiter Stock, dritter. Amadeo nutzte das Schweigen, um sich geistig auf die bevorstehende Begegnung mit dem capo vorzubereiten. Er hatte am Morgen lediglich Niccolosi erreichen können und ihn gebeten, in der Werkstatt Nachricht zu geben, dass er sich aus dringendem Anlass verspäten würde. Giorgio di Tomasi würde nicht erbaut sein.
    Sie hielten in der fünften Etage und stiegen aus. Amadeo fiel auf, dass der Professor seinen Stock jetzt eher wie einen zusammengeklappten Regenschirm hielt, fast als hätte er ihn gar nicht nötig.
    Niccolosi unterzog gerade den heiligen Antonius einer Prüfung. Er blickte auf, als Amadeo und sein Gast herankamen. »Wie neu«, sagte er und präsentierte den Codex.
    Amadeo warf nur einen kurzen Blick auf das Buch. »Danke, Taddeo. — Professor, das ist mein Kollege Taddeo Niccolosi, der regelmäßig in Ordnung bringen muss, was ich angestellt habe.« Er lächelte Niccolosi mit erhobener Augenbraue an.
    »So schlimm ist das auch nicht«, murmelte Niccolosi verlegen.
    Amadeo musste grinsen. Er mochte den Glatzkopf — warum sollte er ihn bloßstellen?
    Als der Restaurator Helmbrecht vorstellte, trat ein fast ehrfürchtiger

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