Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
das getan hat, hatte vielleicht vor, ihn später wieder zum Vorschein zu bringen, nur kam er dann nicht mehr dazu. Oder er hat einfach auf bessere Zeiten gehofft.«
    »Vielleicht hat er einfach auf uns gewartet«, sagte Amadeo nachdenklich.
    »Haben wir heute bessere Zeiten?«, murmelte Helmbrecht. »An dieser Stelle werden wir einstweilen keine Antwort finden, doch ich frage mich etwas ganz anderes: Dies ist meine letzte Offenbarung , steht da. Ist das nicht seltsam?«
    »Nun, er wollte es von der anderen, der offiziellen Offenbarung, unterscheiden, die er schon geschrieben hatte. Wenn er denn der Verfasser des Evangeliums und der Offenbarung des Johannes war.«
    Der Professor nahm noch einmal die Brille von der Nase. »Können Sie mir sagen, wo der Dreck schon wieder herkommt? Ich habe sie eben erst... Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Das meinte ich nicht. Was genau ist diese letzte Offenbarung?, frage ich Sie. Worin besteht sie?«
    Amadeo hob die Schultern. »Sie sagen selbst, er erzählt einige Dinge ganz anders, als die Evangelien es tun.«
    »Möglicherweise.« Helmbrecht setzte die Brille wieder auf, ohne sie noch einmal gesäubert zu haben. »Aber schreibt er nicht ausdrücklich: Und von diesem Tag an werde ich berichten? Wo berichtet er dann? Dieser Text ist offenbar nur der Anfang.«
    »Mehr war nicht drin im Rücken des Hortulus.« Amadeo wies auf den aufgeschlitzten Codex, der ein Stück abseits auf der Arbeitsfläche lag. »Ich habe alles abgesucht.«
    Helmbrecht sah ihn schaudernd an: »So schnell, wie Sie mit dem Messer bei der Hand sind, würde ich dem mal nachgehen, tiefenpsychologisch. Aber Sie stimmen mir zu, dass der Text an dieser Stelle weitergehen müsste, nach menschlichem Ermessen?«
    »Das tue ich. Nur was hilft uns das?«
    »Wenig, so wie es im Augenblick aussieht«, stimmte der Professor zu. »Aber könnte es nicht sein, dass wir noch gar nicht alles gesehen haben?«
    Zweifelnd sah Amadeo die Fragmente an. »Sie denken an fotomechanische Analysen? Die Ebstorfer Weltkarte? Das Grabtuch von Turin?«
    »Zum Beispiel«, nickte Helmbrecht. »Hübsche Geschichte in Ebstorf. Waren Sie mal da?«
    Amadeo verneinte.
    »Ich gerade vor ein paar Wochen«, murmelte Helmbrecht. »Glauben Sie mir, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde. Möglichkeiten, jahrtausendealte Quellen sprechen zu lassen, da vergeht Ihnen Hören und Sehen. Dazu bedarf es einiger Vorbereitungen. Haben Sie mal was zu schreiben?«
XIV
    »Zwei Flaschen Rosso Piceno«, las Amadeo vor. »Pizzataschen, schwarze und grüne Oliven, insalata — frische insalata.«
    »Das ist wichtig«, betonte Helmbrecht. »Gewürze haben Sie im Haus, sagten Sie?«
    »Wir haben eine Teeküche, draußen beim ascensore« , nickte Amadeo. »Prosciutto cotto« , fuhr er fort, »prosciutto di Parma, pomodori , Mozzarella, zwanzig ovolini genügen, oder? Parmigiano — und Eisenduophosphat.«
    »Sehr gut«, stimmte der Professor zu. »Setzen Sie das Eisenduophosphat lieber weiter in die Mitte, dann fällt es nicht so auf.«
    »Ich fürchte...«, begann Amadeo vorsichtig.
    »Das mache ich schon.« Helmbrecht nahm ihm den Zettel ab, warf noch einen Blick darauf und war schon an der Tür.
    Amadeo folgte ihm. Als der Professor gerade die Klinke niederdrückte, erscholl ein mächtiges Donnern. Für einige Augenblicke bebte der Boden.
    »Was ist das?« Helmbrecht ließ die Klinke nicht los, doch die Erschütterung war bereits vorüber.
    »Die cannone del Gianicolo« , erklärte Amadeo. »Sie wird jeden Tag mittags um zwölf abgefeuert, an der Piazzale Garibaldi oberhalb von Trastevere. Ein Mordsradau da oben — und man hört es in der ganzen Stadt.«
    Mittags um zwölf. Amadeo stellte fest, dass sich wieder eine ganz besondere Vorfreude einstellte, als er hinter dem Professor in den Flur trat. Tatsächlich: Pünktlich auf die Sekunde öffnete sich die Tür von Giorgio di Tomasis Büro, und der capo trat in den Arbeitsraum, gefolgt von Chiara. Es war ein beinahe absurdes Bild: ein knappes Dutzend Köpfe hob sich absolut synchron von den Arbeitstischen. Die Tochter des Werkstattleiters trug heute ein schlichtes weißes Leinenkleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Es wirkte ungewöhnlich brav; auf jeden Fall war es zu warm für den römischen Sommer, es sei denn, man hatte vor, eine der alten Kirchen aufzusuchen. Heilige Orte reagierten bekanntlich allergisch auf nackte Damenschultern oder Damenbeine — und dem Seelenheil der monsignori waren sie schon gar

Weitere Kostenlose Bücher