Die letzte Praline
geführt.
Die Befragung war ebenso kurz wie unangenehm. Er und dieser schreckliche, unhöfliche, ungehobelte, müffelnde, unausstehliche Kommissar würden bestimmt keine Freunde mehr werden. Und eines war Bietigheim danach ebenfalls klar: Ein solcher Popanz von einem Polizisten würde niemals herausfinden, wer die Chocofee ermordet und damit Adalbert Bietigheims Weltmeisterschaft besudelt hatte. Der Mörder musste schnell ausgemacht werden, damit der Wettbewerb Ruhe fand. Und wenn die belgische Polizei nur solche labbrigen Fritten in ihrer Belegschaft hatte, dann musste er eben selbst ran. Schließlich hatte er Übung darin! Deswegen ging Adalbert nun entschlossenen Schrittes Richtung Steenstraat, wo sich die Pralinerie von Franky van der Elst befand – des Mannes, der die Leiche gefunden hatte.
Der Laden des schweinehaften Belgiers war keine der schicken modernen Schokoladenboutiquen, sondern einer der alten Art, der nur so platzte vor Süßigkeiten, Schokoladen und Pralinen, die in jeder Ecke neben- und übereinandergestapelt waren. Sexualität war dem Belgier nicht fremd und nackte Brüste etwas, das man sich hierzulande neben dem Meer und Fritten stets gerne anschaute. Warum also nicht auch Brüste aus Schokolade? Eben! Sowohl in ganz nackig als auch in Netz-BHs, die nur bis kurz unter die Brustwarzen gingen, hatte van der Elst sie im Angebot. Der Auswahl wegen. Und wo man schon mal dabei war: So ein Schokoladenpenis war doch auch nicht schlecht – vor allem wegen der Gleichberechtigung. Und da der Penis ein Körperteil war, aus dem praktischerweise etwas herauskam, das wie Zuckerguss aussah, durfte dies hier natürlich auch nicht fehlen. Der Authentizität halber. Und um die Sache komplett zu machen, mussten wohlgerundete Schokoladenhinterteile natürlich ebenfalls sein. In Vollmilch, Zartbitter und Weiß sowie in vielen Größen. Für jeden Geschmack etwas.
Das Schaufenster war voll mit dem sündigen Zeug. So viele Brüste sah man sonst selten auf einmal. Und nie in 100-Gramm-Packungen.
Bietigheim war froh, dass Bennos Blickwinkel ihn vor diesen zuckersüßen Obszönitäten bewahrte.
Er selbst schoss ein paar Fotos für sein nächstes Schokoladenseminar. Das glaubte ihm ja sonst keiner. Und erst recht nicht, dass van der Elst bei Weitem nicht der einzige Chocolatier Brügges war, der mit derlei Gussformen arbeitete.
Van der Elst stand hinter dem Tresen des vor Touristen überquellenden Ladens und verpackte gerade eine gigantische Schokoladentafel mit Meersalz in Cellophanfolie. Als er den Professor eintreten sah, übergab er diese Aufgabe umgehend einer seiner Mitarbeiterinnen.
»Herr Professor! Welche Ehre. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Pralinen, Penisse, Brüste?«
»Nein danke. Heute keine Pornoschokolade.«
Van der Elst war kein bisschen pikiert. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Was hatten Sie in der Skulpturenhalle zu suchen, in deren Chocolaterie die Tote lag?«
»Das habe ich der Polizei doch alles schon gesagt.«
»Und jetzt sagen Sie es mir noch einmal. Natürlich müssen Sie nicht mit mir sprechen, natürlich können Sie mich, den Vorsitzenden der Jury, den Mann also, der den Weltmeister krönt, einfach wie einen dummen Jungen stehen lassen.« Er blickte van der Elst ruhig an. Und lächelte.
Alle Augen in der Pralinerie waren nun auf sie gerichtet, und etliche Münder standen offen. Man hätte einen Schokopenis fallen hören können.
Van der Elst zwang sich ein Lächeln auf die feisten Wangen. »Lassen Sie uns nach hinten gehen. Bitte!«
»Wenn ich mich nicht täusche«, setzte Bietigheim in der Chocolaterie hinter den Verkaufsräumen wieder an, »gab es keinen Grund für Sie, in der Probeküche zu sein.«
»Ich hab die Bea gesucht.«
»Warum?«
»Ich wollte dem Mädchen vor der Pressekonferenz noch etwas sagen …«
Van der Elst strich ein paar Schokokrümel von der Marmorplatte im Zentrum des Raums.
»Was sagen? Herrgott noch mal, muss ich Ihnen denn alles aus der Nase ziehen?« Bietigheim wurde allmählich ungeduldig.
»Dass sie sich fernhalten sollte von diesem Typen, mit dem sie gestern auf der Party geflirtet hat, dass der kein Guter ist.«
»Wieso sind … waren Sie denn so besorgt um Beatrice Reekmans?«
»Wir kennen uns … kannten uns. Unsere Familien sind seit Generationen befreundet, beides alte Brügger Geschlechter, ihres hat seit langer Zeit mit dem Aalfang zu tun, im Kanal von Damme, und meine macht in Schokolade. Mein Großvater kam auf die Idee, dunkle
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