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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Hauptstadt der Schokoladenkunst, doch Brügge schickte sich an, ihr den Rang abzulaufen.
    Der junge van der Elst hatte die Busentorte aus dem Schaufenster verbannt, stattdessen hingen dort nun Fotos seines Vaters und Beatrice Reekmans’, jeweils mit schwarzem Trauerflor. Darunter eine neue Pralinenkreation im Gedenken an die beiden Mordopfer: die Heilig-Bloed-Praline. In Kreuzform. Eine Praline war aufgeschnitten worden, damit die Füllung zu sehen war. Der enthaltene Fruchtlikör sah aus wie Blut.
    Eine sehr belgische Art zu trauern, dachte der Professor.
    Nach zwölf Chocolaterien hielt er es nicht mehr aus, fern des Museums zu sein, wo heute alles stattfinden würde. Er musste einfach hin, auch wenn es dort nichts für ihn zu tun gab.
    Kurze Zeit später hatte er das Schokoladenmuseum erreicht, doch er kam nicht hinein. Denn davor fand ein Sitzprotest statt. Und ein Hungerstreik. Was der Gesundheit der Protestierenden sicher zuträglich war, denn es handelte sich um Frittenfans. Sie hielten Spruchbänder und auf Stöcke montierte Plakate empor. »Bietigheim zerstört Frittenkunstwerk!« –»Pralinen: Nein! Fritten: Immer rein!« – »Aus Fritten besteht Belgiens Herz«.
    Gerade Letzteres fand Bietigheim unappetitlich.
    Eine junge Frau stürzte auf ihn zu, die ihrer Kleidung nach aus einem kleinen mexikanischen Pueblo stammte. Sie schüttelte unentwegt den Kopf: »Wir sind so enttäuscht! Also, ich auch ganz persönlich. Vor allem als Belgierin. Gerade Sie, der Verfasser der bahnbrechenden Arbeiten ›Pommes frites – Auf die Größe kommt es (doch) an!‹ und ›Zweifach Frittieren – Von der einzig wahren Zubereitungsart. Mit einem Ausblick auf die Zukunft: Dreifach Frittieren‹. Nicht zu vergessen mein Liebling: ›Frit Speciaal – Das Quartett des kartoffeligen Genusses‹.«
    Ach herrje, diese Arbeiten, dieser populistische Kram! Adalbert schämte sich heute noch dafür. Er war jung gewesen und hatte das Geld gebraucht. Immerhin hatte er sich nie dazu herabgelassen, etwas über Minze zu schreiben, Gottes größten Fehler.
    »Und dann zerstören ausgerechnet Sie die Atomium-Skulptur!« Die Frau war den Tränen nahe.
    »Das Frittomium«, korrigierte Bietigheim.
    »Das was?«
    »Das … vergessen Sie es einfach. Es war übrigens mein Hund, ich kann nichts dafür«, verteidigte er sich.
    »Dafür schmoren Sie in der Hölle!« Adalbert ließ sich nicht davon aus der Ruhe bringen, dass die junge Frau ihm allmählich beunruhigend nah kam.
    »Passenderweise würde ich dafür in der Hölle frittieren.«
    » Wie bitte? Jetzt auch noch witzig werden?« Sie machte einen weiteren Schritt auf ihn zu.
    »Ich bemühe mich nach Kräften. Und wenn Sie mich jetzt nicht durchlassen, werde ich beweisen, dass die Fritte nicht in Belgien, sondern in Frankreich erfunden wurde, und zwar hieb- und stichfest. In der geheimen Bibliothek des Vatikans existieren Schriften dazu. Bisher bin ich davor zurückgeschreckt, sie öffentlich zu machen.«
    »Das stimmt nicht … Das wagen Sie nicht …«
    »Oh, doch! Wenn Sie mich weiterhin am Betreten des Museums hindern – einzig wegen der Übermütigkeit meines entzückenden Hundes. Und?«
    »Das ist …« Sie knirschte mit den Zähnen.
    »Eine Frage, genau. Gerade stelle ich mir eine andere: Ob es wohl auch die Franzosen waren, welche feststellten, dass Fritten und Mayonnaise so perfekt zueinanderpassen?«
    «Lasst ihn durch!« , brüllte die junge Frau. »Wir ziehen hier ab. Unser Standpunkt wurde klargemacht. Der Professor hat versprochen, zukünftig nichts gegen Fritten zu unternehmen. Sieg auf ganzer Linie!«
    »Aber wir wollten hier doch ganz occupymäßig bis Weihnachten ausharren?«, brummte ein übergewichtiger Mann, der seinen Hungerstreik gerade für eine Kaaskrokett unterbrach.
    «Wir brechen unsere Zelte ab, verdammte Scheiße noch mal!«
    ›Fritte sei mit euch!‹, lag es Adalbert auf der Zunge, doch er verkniff sich den Kommentar.
    Adalbert hatte Sorgen, und die nächsten Stunden, die er einsam im Museum verbrachte, ließen sie sprießen. Er aß deshalb etliche der im Museumsshop zum Verkauf stehenden Pralinen, denn Schokolade war bekanntlich gut gegen Sorgen. Allerdings wusste er, dass die Legende von Rauschmitteln und Glücksstoffen in Schokolade haltlos war. Zwar war in dieser Serotonin enthalten, auch Tryptophan, Anandamid und das Glückshormon Phenethylamin, aber entweder waren die Mengen zu gering, oder sie gelangten nicht ins Gehirn. Und trotzdem gab es einen

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