Die letzte Praline
Stoffserviette in seiner am Hemd angebrachten goldenen Serviettenklammer nach. Schon beim Frühstück galt es, auf perfekte Etikette zu achten.
»Es ging aber gar nicht um Benno, sondern um …«
»Ah, genau, jetzt weiß ich wieder, wo ich war! In der Nacht, als ich hier im Hotel Quartier bezog, glitt ein Ruderboot lautlos sowie unbeleuchtet durch den Kanal und ließ etwas ins Wasser gleiten. Ich dachte mir damals nichts dabei. Doch jetzt im Rückblick mutmaße ich: Es könnte die Schweinehälfte gewesen sein. Die Größe entsprach ihr zumindest. Falls sie es tatsächlich war, muss sie mit etwas beschwert worden sein, denn der Gegenstand ging damals unter wie ein Stein. Ich habe mir die Schweinehälfte aufgrund dieser Hypothese, welche mir bereits kurz nach dem Fund kam, ganz genau angesehen. An einer Seite befand sich von außen nach innen ein Riss und an dessen Ende eine tiefe Einkerbung. Ich vermute, dass dies auf ein Loch hindeutet, durch welches ein Seil oder Ähnliches geführt und an einem Gewicht befestigt worden war. Doch warum eine Schweinehälfte versenken?«
»Ich für meinen Teil esse Schweine! Ich versenke sie nicht. Das ist der völlig falsche Umgang mit Schweinen. Schweine gehören nicht ins Wasser, sie gehören ins Fett – und zwar am besten in meiner Pfanne.«
Bietigheim tupfte sich die Lippen nach dem Genuss seines Frühstücks sorgfältig ab. »Damit mögen Sie recht haben, doch hilft es mir kein Jota weiter. Und obwohl Sie sich in dieser Frage als völlig nutzlos erwiesen haben, stelle ich Ihnen gleich noch eine: Was sollten die schwarzen Glassplitter im Fleisch? Einen habe ich selbstverständlich an mich genommen.« Er holte ein zusammengefaltetes Seidentaschentuch aus seiner Sakkotasche und das darin eingepackte Indiz hervor. »Sehen Sie ihn sich mal an, Sie kennen sich doch sicherlich mit Stichwaffen aus.«
»Nur weil ich ein Rocker bin?« Pit schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht Mitglied eines MCs, Professore. Ich gehöre nicht zur Big Red Machine und auch nicht zum Fat Mexican. Ich bin ein Freebiker. Aber ja, ich habe Kumpels in der Szene. Das sind keine netten Rockeronkels, einige davon sind richtig schwere Jungs. Oder lassen wir den Zuckerguss weg: Einige davon sind Verbrecher. Von denen würde sich keiner zum Schokobär eignen. Höchstens zum Schock-obär!« Er musste grinsen. »Zeigen Sie mal her, die Scherbe, vielleicht weiß ich ja wirklich was.« Er ließ sie durch seine Finger wandern. »Nee, tut mir leid, nie gesehen so was. Ist ja auch eine saublöde Stichwaffe, also eine, die ständig abbricht. Wer benutzt so was, wo es doch Stahlklingen gibt? – So, jetzt bin ich aber endlich dran, Professore. Jetzt halten Sie mal den Mund, weil ich Ihnen was ganz, ganz Wichtiges sagen muss. Es ist eine Vorwarnung, also …«
In diesem Moment ertönte ein Geräusch, das von einer Signalboje stammen mochte.
»Adiiiiiiiiii! Da biste ja, du alter Schlawiner. Ach, wie niedlich, der Benno ist auch dabei und darf mit am Tisch sitzen. Na, wenn du nicht der allerallerbeste Hundepapi von allen bist!«
Adalbert wurde geküsst. Nahm das denn gar kein Ende mehr? Hätte ihn Hildegard zu Trömmsen geküsst oder Madame Baels, gut, das hätte ihm ausnehmend gefallen. Aber anscheinend küsste ihn nur Hinz und Kunz. In diesem Fall Elfriede Hinz und Kunz. Mit bürgerlichem Namen Elfriede Lüdenscheid-Bietigheim aus Bietigheim. Mancher hätte sie als herzlich beschrieben, Adalbert bevorzugte nervtötend. Ihre Verwandtschaft musste ein genetisches Versehen sein. Oder der Metzgerssohn hatte nachts mal eine Vorfahrin mit ein paar Würsten angelockt. Sein Blut floss sicher nicht in ihren Adern!
Elfriede, genannt Elfi, hatte ein pausbackiges Vollmondgesicht und einen Dauerwellenhelm wie eine Tagesschau-Sprecherin aus den 70ern. Und dann war da noch Wolfram. Ihr Mann.
Wolfram hatte Humor.
»Und ich dachte, du tafelst hier mit den ganzen süßen Schokomädels, wuff! Wuff!« Er knuffte den Professor mit dem Ellbogen in die Seite. Es schmerzte.
»Hör nicht auf ihn, Adi«, flötete Elfi. »Er redet wieder nur Unsinn. So ist er halt.«
»Ach, was! Der Adi weiß schon genau, was ich mein. Nicht wahr, du alter Schwerenöter? Also, mir gefällt ja diese Brasilianerin, diese da Costa, aber ich bin ja glücklich verheiratet. Meistens!« Er zwickte Elfi in den Po, die daraufhin schrill kiekste.
»Wolfram, doch nicht vor den Leuten!«
»Sind doch nur der Adi und der Pit, denen ist so was nicht fremd.«
Es waren
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