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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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gleich zu Bett. Ihre Fragen müssten umfassend beantwortet sein.«
    »Bis auf eine«, hielt Bietigheim den Rechtsmediziner zurück. »Haben Sie irgendwelche künstlichen Jaguarhaare an der Leiche gefunden?«
    »Ich habe von dem Vorfall gehört. Aber nein, nichts dergleichen. Kein Jaguarfell, keine Fischschuppen, keine Hühnerfedern. Nicht einmal Schmuck.«
    Bietigheim verabschiedete sich und band Benno an der Tür los. Dann drehte er sich doch noch einmal um. »Eines würde mich noch interessieren: Schlafen Sie tatsächlich in diesen Räumlichkeiten?«
    Ceulemans blickte bei seiner Antwort nicht auf. »Einen schönen Abend noch, verehrter Kollege.«
    Bietigheim musste auf dem Weg zum »Relais Bourgondisch Cruyce« in der Wollestraat schwer gegen den nächtlichen Wind anradeln, der durch die Straßen Brügges jagte wie ein junger Hund. Die menschenleere Stadt erinnerte an Bruges-la-Morte, das tote Brügge, wie es der belgische Schriftsteller Georges Rodenbach in aller Trostlosigkeit beschrieben hatte – selbstverständlich von Adalbert als vorbereitende Lektüre ausgewählt. Doch Brügge war nicht tot, die einst reichste Handelsstadt Nordeuropas schlief bloß. Da dem Professor die kleinen Gassen unheimlich waren, beschloss er, über den Grote Markt zu fahren. Die glatten Pflastersteine, die Fenster der Restaurants und Cafés boten dort so viel Reflexionsfläche, dass silbernes Mondlicht ihn fast hell erstrahlen ließ, auf eine kühle Art, als läge diese Welt hinter einem alten Spiegel.
    Unter das riesenhafte Plakat zur Weltmeisterschaft der Chocolatiers waren zehn kleinere, quadratische Plakate mit den Konterfeis der Finalisten gehängt worden. Wobei die von Bertinotti und Ribisel bereits mit roten Klebestreifen durchgekreuzt waren. Adalbert hielt an und nahm alle noch einmal in Augenschein. Erst jetzt fiel ihm auf, dass neben ihm und Benno im Hintergrund auch Beatrice Reekmans als Chocofee zu sehen war … und plötzlich hatte er das Gefühl, etwas Wichtiges, und zwar etwas unwahrscheinlich Wichtiges, übersehen zu haben. Er suchte alles ab, wie bei einem Fehlerbild, dessen letzten unentdeckten Unterschied er ums Verrecken nicht finden konnte. Eben hatte er doch … war es nicht in der linken Ecke?
    In diesem Moment rollte eine Windböe einer riesigen Welle gleich über den menschenleeren Platz, und mit einem Mal fing Benno an zu heulen, sprang aus seinem Körbchen und raste so schnell, als stünde sein Schwanz in Flammen, am Belfried vorbei die Wollestraat hinunter – und damit in die Richtung, aus welcher der Windstoß gekommen war.
    »Benno, du kleiner Teufel!«, rief Bietigheim dem flitzenden Foxterrier hinterher. Seine Stimme hallte von den alten Mauersteinen wie die eines olympischen Gottes. »Bleibst du wohl stehen!«
    Genauso gut hätte er den Mond bitten können, heute mal in Rosa zu scheinen.
    Adalbert kam kaum schnell genug hinterher, erst an der alten Nepomucenusbrücke hatte er Benno eingeholt, doch prompt legte dieser eine atemberaubende Linkswende hin und steuerte auf den Rozenhoedkai zu – den Rosenkranzkai, an dem im Mittelalter ebendiese verkauft wurden und von dem aus sowohl der Turm der Liebfrauenkirche als auch der Belfried zu sehen war. Touristen liebten den Kai zum Fotografieren, viele Bootstouren starteten hier.
    »Benno! Stop! Sonst gibt es keine Hundekuchen mehr! Hörst du? Auf der Stelle stehen bleiben!«
    Benno blieb stehen.
    Auf der Stelle.
    Adalbert konnte sein Glück nicht fassen.
    Wie viele Jahre hatte er Benno jetzt schon? Und dies war das erste, wirklich das erste Mal, dass dieser genau das tat, was von ihm verlangt wurde.
    Es würde nicht reichen, den Tag im Kalender rot anzustreichen, Adalbert würde ihn zu einem nationalen Festtag ausrufen müssen, dem »Tag des folgsamen Terriers«. Mal was anderes als Totensonntag.
    Benno stand stocksteif, als wäre er schockgefrostet worden, und blickte in Richtung eines der Bootsanleger. Dann löste er sich aus seiner Starre und schlich vorsichtig die Stufen zum Steg hinab.
    Im Wasser trieb etwas.
    Und noch entscheidender: Im Wasser stank etwas.
    Es fiel Adalbert schwer zu erkennen, um was es sich handelte. Groß war es und unförmig und fahl.
    Möwen lockte es an.
    Und Enten.
    Und Schwäne.
    Doch nach ein paar wütenden Kläffern von Benno verschwanden sie alle. Was immer das da Stinkendes im Wasser war, einen guten Meter vom Steg entfernt, Adalberts Vierbeiner wollte es ganz für sich allein. Aber er traute sich nur zögernden Schrittes

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