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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Weltmeisterschaft zu jeder Sekunde des Tages aufhielten, falls Interview- oder Fotoanfragen hereinkamen. Madame Josephine-Charlotte Baels.
    Adalbert war kein bisschen traurig, sie im Museum aufsuchen zu müssen.
    Madame Baels thronte förmlich an ihrem Schreibtisch, die aufrechte Körperhaltung, das emporgereckte Kinn, dazu diese unbeschreiblich majestätische Aura. Umso erstaunlicher, als sie dieses Kunststück in einem kleinen Büro vollführte. Es war äußerst unordentlich – dieses rassige Weib beherrschte anscheinend das Chaos! Aber gab es überhaupt etwas, das sie nicht beherrschen würde?
    Mit einem leisen, köstlichen Laut der Anstrengung drückte sie sich aus ihrem tiefen Stuhl empor.
    »Hochverehrteste!« Adalbert gab ihr einen galanten Handkuss. »Es ist immer eine unbeschreibliche Freude, Sie zu sehen.«
    »Die Ehre ist ganz meinerseits. Und da ist ja auch Ihr süßer vierbeiniger Begleiter.« Sie strubbelte Benno über den Kopf. »Wie kann ich Ihnen beiden helfen?«
    »Ich bin auf der Suche nach Franky van der Elst. Und da Sie die Frau sind, die stets alles weiß, wende ich mich vertrauensvoll an Sie.«
    »Nun übertreiben Sie aber maßlos, Herr Professor.«
    »Nein, nur ein ganz klein wenig.« Er lächelte sie an.
    »Warten Sie …« Madame Baels schritt ins Vorzimmer und wechselte einige Worte mit ihrer Sekretärin, ehe sie zurückkehrte. »Franky van der Elst hält sich im Hotel ›De Boerenpummel‹ auf.«
    Der Professor war überrascht. »Wie kommt es? Ist er um diese Uhrzeit sonst nicht immer in seinem Geschäft?«
    »In der Regel, ja, aber heute trifft er sich mit Kollegen. Wir wünschen uns ja den Austausch zwischen den Chocolatiers. Deshalb hat er dort auch ein Hotelzimmer, in dem er während der Weltmeisterschaft übernachten muss. Gleiche Regeln für alle! Heimvorteil gibt es bei uns nicht.«
    »Wissen Sie zufällig, mit wem er sich trifft, Verehrteste?«, fragte Bietigheim nach.
    »Leider nein, ich kann aber herausfinden, wer sich sonst noch alles im Hotel befindet. Einige machen nämlich Ausflüge an die Küste, nach Gent oder speisen in einem unserer vielen Spitzenrestaurants.«
    »Keine Umstände! Ich begebe mich einfach auf die Suche.« Er wollte die wertvolle Zeit Madame Baels’ nicht länger in Beschlag nehmen.
    »Darf ich erfahren, warum?«
    »Ein Hintergrundgespräch«, erwiderte Adalbert. »Um seine Arbeit noch besser einschätzen zu können.«
    »Sehr gute Idee – aber dann sollten Sie auch die anderen befragen. Wir wollen ja nicht, dass jemand eifersüchtig wird. Wobei ich mir natürlich wünschen würde, dass Sie bei Gelegenheit auch mit mir ein Hintergrundgespräch führen.«
    »Ach, Sie Schmeichlerin«, wehrte der Professor ihr Kompliment ab.
    »Das ist die Wahrheit! Es darf auch gerne die ganze Nacht dauern …« Madame Baels lachte auf eine mädchenhafte Weise.
    Adalbert Bietigheim verabschiedete sich mit einem weiteren perfekten Handkuss von diesem Vollweib und machte sich mit Pit, der vor dem Museum in seinem Taxi gewartet hatte, auf den Weg zum »De Boerenpummel«.
    Einige Chocolatiers hatten es sich auf Sonnenliegen im Garten bequem gemacht, Bill Bulldoss und Pierre Cloizel spielten gegeneinander Tischtennis, während Edward Macallan im Fernsehzimmer versuchte, einen englischsprachigen Kanal reinzukriegen, indem er wütend auf den Kasten schlug.
    Franky van der Elst war nicht zu sehen. Auch seine Kolleginnen und Kollegen wussten nicht, wo er steckte. Als der Professor an die Tür seines Zimmers in der zweiten Etage klopfte, wurde nicht geöffnet. Sollte Madame Baels sich etwa getäuscht haben? Konnte sich solch eine großartige Dame überhaupt täuschen?
    Als er sich schon wieder einige Schritte entfernt hatte, hob Bietigheim mit einem Mal die Hand, Benno und Pit signalisierend, völlig ruhig zu sein – was sein Foxterrier leider als Aufforderung begriff, loszubellen und seinen eigenen Schwanz zu jagen.
    Aber es hatte einen kurzen Moment der Stille gegeben, eine Sekunde vielleicht nur, und die hatte gereicht, um etwas zu hören. Einen Föhn. Jemand war im Zimmer neben dem van der Elsts und föhnte sich die Haare. Um diese Uhrzeit? Wusch man sich nicht morgens die Haare oder abends vor einem Termin? Bietigheim nahm Benno auf den Arm und verabreichte einen der Eichendorff’schen Hundekuchen, was ihm ein wenig Zeit der Ruhe einbrachte, in welcher er sich dem Zimmer mit dem Föhngeräusch näherte.
    Er klopfte.
    Das Föhnen hörte sofort auf, doch die Tür wurde nicht

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