Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
heran, das Ziel seines Interesses unentwegt anbellend. Es bewegte sich, doch mochte das vom leichten Wellengang des Kanalwassers herrühren.
    Adalbert stellte sein Fahrrad auf den Ständer, nahm die Hosenklammern ab und eilte zu Benno hinunter. Als er bei diesem angekommen war, stockte ihm der Atem.
    Das, was da im Wasser trieb, sah aus wie ein nackter Körper.
    Der Professor blickte sich um und entdeckte einen der Haken, mit denen die Boote an den Steg gezogen wurden. Er holte ihn, um das Etwas näher heranholen zu können. Als er es mit dem Ende des Holzstabs berührte, begann Adalbert zu zittern, denn nun konnte er spüren, dass es wirklich ein Körper war.
    Mit stockendem Atem zog er ihn näher.
    Der Gestank schien sich mit jedem Zentimeter zu verdoppeln.
    Mit der freien Hand griff Adalbert sein mit Initialen besticktes Seidentaschentuch und presste es sich vor die Nase.
    Benno jagte auf dem Steg, vor Aufregung kläffend, seinen eigenen Schwanz.
    Mit dem Ende des Stabes fuhr Adalbert die Konturen des Treibgutes aus Fleisch ab. Er konnte keine Gliedmaßen ausmachen, vielleicht war es nur der Torso eines Menschen, waren Kopf, Arme und Beine abgetrennt worden, und er blickte gerade auf den Rücken. Es war zu dunkel, um Genaueres auszumachen. Welcher Teil auch immer es war, auf ihm befanden sich Wunden. Schwarze Glassplitter steckten im Fleisch, teils nur wenige Millimeter, teils sehr tief. Es sah aus, als hätte jemand mit einem dünnen, zerbrechlichen schwarzen Stück Glas zugestochen, doch nicht alle Attacken hatten die Haut durchdrungen.
    Benno wurde ungeduldig. Er wollte endlich in dieses große Stück hineinbeißen, und wäre es Adalbert nicht gelungen, ihn zurückzuhalten, wäre er draufgesprungen. Es war Zeit, die Polizei zu informieren. Doch er besaß ja kein tragbares Telefon, und keine Gaststätte, kein Restaurant war um diese Zeit noch geöffnet. Er würde zurück ins Hotel fahren müssen, dessen mittelalterliche Rückseite er von hier aus sehen konnte, und von dort aus anrufen. So schnell wie möglich.
    Doch die Neugier war stärker.
    Er wollte wissen, wer der oder die Tote war. Ob die andere Seite Aufschluss darüber gab, ob vielleicht doch noch mehr daran war, als er mit dem Bootshaken hatte ertasten können.
    Also hakte er den langen Stab ein und zog schnell und mit viel Kraft, um den Fund im Kanal zu wenden.
    Es war gut, dass Adalbert Professor für Kulinaristik war.
    Es war gut, dass er sich auskannte.
    So erkannte er mit einem einzigen Blick, dass dies im Wasser, beschienen vom klaren Nordseemond, keine menschliche Leiche war.
    Es war eine Schweinehälfte. Denn sie hatte ein Ringelschwänzchen.
    Und so aufgequollen, wie sie war, musste sie schon einige Zeit im Wasser gelegen haben.

KAPITEL 4

    Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen …
    … mit Alkohol ist beides besser.
    »… und dann informierte ich die Polizei. Selbstverständlich anonym. Ich weiß zwar nicht, was es mit dieser Schweinehälfte auf sich hat, aber so etwas sollte sicher nicht im Kanal herumtreiben.«
    Bietigheim köpfte das Ei mit perfektem Messerschlag und lächelte zufrieden. Die Herbstsonne glitt golden durch die Fenster des Hotels, wie sie es schon seit Jahrhunderten tat, aber heute doch besonders schön.
    »Professore, ich versuche schon die ganze Zeit, Ihnen was zu sagen.« Pit schmierte sich dick Leberpaté mit Champignons auf sein Brötchen. »Das muss raus, ehe es zu spät ist!«
    »Jaja, gleich, also weiter im Text: Ich konnte von meinem Zimmerfenster aus beobachten, wie die Leiche, pardon, die Schweinehälfte herausgezogen wurde, dann gingen Taucher in den Kanal und suchten mit Lampen den Grund ab. Aber was haben sie da zu finden gehofft? Natürlich ist die Schweinehälfte angetrieben und nicht an Ort und Stelle hineingeworfen worden. Was sollte denn da unten noch sein, die andere Hälfte? Meinen die, man wirft ein ganzes Schwein ins Wasser, und es klappt vor Schreck auseinander? Aber na ja, wenn man solche Taucher ausbildet, muss man sie auch ab und an beschäftigen.«
    »Professore, eine Sache, ganz kurz, sonst …«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen, und die Antwort lautet: Nein, Sie dürfen Benno nichts abgeben! Auch wenn er seine traurigen Augen macht. Er hatte eben schon Fresschen. Sowohl Schinken wie auch Salami. Trauen Sie ihm nicht, er verhungert keineswegs.« Benno warf sich auf den Rücken und streckte die Beine empor. »Alles bloß Schau. Wo war ich stehen geblieben?« Bietigheim justierte die

Weitere Kostenlose Bücher