Die letzte Praline
angemessen gewesen. Sie meinen das, weil der Jaguarkrieger sich nur zu dem Mord an da Costa bekannt hat?«
»Das ist der erste Hinweis. Der andere ist sprachlicher Natur. Der Jaguarkrieger sagte: Es wird noch ein Opfer geben. Verstehen Sie?«
»Das hat doch nichts zu sagen.«
»Und ob!« Bietigheim hob den Zeigefinger. Was für eine schöne Handbewegung. Vollführte er viel zu selten. Vor allem in Pits Gegenwart. »Hätte er bereits zwei Menschen getötet, würde er unwillkürlich von weiteren Morden sprechen. Versetzen Sie sich in seine Situation. Sie wollen eine Drohkulisse aufbauen, damit Ihre Forderungen erfüllt werden. Da werfen Sie doch alles in die Waagschale.«
»Hm«, machte Pit, was zeigte, dass er noch nicht vollends überzeugt war.
»Und dann, was noch viel bedeutsamer ist«, setzte Bietigheim nach, »ist die Tötungsart. Dem Jaguarkrieger war es wichtig, mit einer Obsidianklinge zu morden, dafür hat er extra geübt. Wenn er Beatrice also fälschlicherweise wegen der nicht ausreichenden Lichtsituation für da Costa gehalten hätte, hätte er sich mit der Obsidianklinge in der Hand an sie herangeschlichen. Sie dreht sich um, der Täter erkennt, dass es die Falsche ist – und legt seine Obsidianklinge fort, um sich irgendeine andere Tatwaffe zu suchen? Natürlich nicht! Er sticht mit dem zu, was er hat. Es wäre schließlich ein Mord im Affekt gewesen.«
»Was, wenn Beatrice ihn überrascht hat, als er Jana Elisa auflauerte?«
»Auch dann hätte er mit der Obsidianklinge gemordet.«
»Und damit seine Signatur hinterlassen?«
»Ja, und? Ist es nicht völlig egal, wen er als Erstes tötet? Natürlich hat eine Brasilianerin aus einer Kakaopflückerfamilie einen stärkeren Zusammenhang zu seinem Anliegen – obwohl sie ja eigentlich sogar zu der Gruppe gehört, die er schützen will, also die Familien, welche nicht genug Geld für ihre Arbeit bekommen. Aber eine Chocofee wäre genauso gut gewesen. Und in solch einem Moment denkt man auch nicht so viel nach. Man mordet, weil man entdeckt worden ist, und man mordet, ohne zu zögern. All diese Überlegungen lassen nur einen Schluss zu: Trotz der Ähnlichkeit von Beatrice und Jana Elisa müssen wir es mit zwei Tätern zu tun haben.«
Sie näherten sich der Metzgereitheke. »Das heißt doppelte Arbeit.«
»Und doppelte Gefahr«, betonte Bietigheim.
»Und doppelt so viele Spuren.«
»Und Fragen.«
»Und … jetzt fällt mir nichts mehr ein.«
Sie waren an der Reihe. »Was darf es sein?«, fragte der Metzger.
Der Professor hatte einen spontanen Einfall. »Verkaufen Sie auch Schweinehälften?«
»Nö, da müssen Sie sich direkt an den Schlachthof wenden. Aber beeilen Sie sich lieber.«
»Wieso? Sind Schweinehälften zurzeit so en vogue?« Pit lehnte sich zum Professor. »Da staunen Sie, was? Tja, auch der olle Pit kennt ein paar Fremdwörter.«
»Nein«, beantwortete eine ältere Dame mit Hut hinter ihm die Frage. »Aber vor Kurzem ist doch eine Schweinehälfte gestohlen worden. Die Presse war voll damit. Sind wohl Tierschützer gewesen.«
»Vor Kurzem bedeutet in diesem Fall wann?«, schaltete sich der Professor ein. »Vor der Weltmeisterschaft?«
»Ja, und auch vor der Frittenolympiade. Das ist ja ein riesengroßes Ding. Jeder spricht davon. Es gibt Frittenwettessen, Friteusenweitwurf, Frittenschnellschnitzen, Kunstwerke mit Frietsaus und Ketchup, es gibt wirklich alles.« Die alte Dame geriet schier aus dem Häuschen. »Sie errichten sogar die größte Frittenskulptur der Welt. Alle reden darüber.«
Adalbert wollte nur noch raus. Aber eine Frage musste er noch loswerden, obwohl er die Antwort schon kannte.
»Haben Sie die Schweinehälftendiebe schon gefasst?«
»Nein«, antwortete nun wieder der Metzger. »Die Polizei tappt …«
»… noch völlig im Dunkeln«, beendete Bietigheim den Satz. »Das scheint die bevorzugte Lichtstimmung zu sein. Pit, erwerben Sie bitte ausreichend Pansen für Benno, ich gehe an die frische Luft. Und falls ich dort Fritten rieche, werden Sie einen lauten Knall hören, weil ich mich dann entschließe zu explodieren.«
Alle in der Metzgerei lauschten eine ganze Weile, doch der Zünder des Professors schien nicht betätigt worden zu sein.
Bietigheim war sich sicher, dass Benno den Pansen schon von Weitem riechen würde und sich seine Enttäuschung über das Fernbleiben des geliebten Menschen in Vorfreude auf den vielleicht noch mehr geliebten Pansen verwandeln würde. Er konnte es kaum erwarten, Bennos
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