Die letzte Praline
eine Stunde bis zur Entleerung warten. Vorher sollten Sie den Riegel natürlich zu einem Zäpfchen kneten, selbst mit Gleitgel ist die Einführung sonst problematisch. Die Zäpfchen sollte man zuvor außerdem eine Weile in den Kühlschrank legen, damit sie nicht direkt bei der Anwendung zerfließen.«
»Hören Sie auf, ich kriege die Bilder nie wieder aus dem Kopf!« Pit schüttelte sich.
»Ist alles nachzulesen bei Zepernick, Langhammer und Lüdcke. Ich glaube, sogar mit einer lehrreichen Illustration. Wo wir gerade beim Thema Verdauung sind …«
Pit war sehr froh, dass sie am Museum ankamen, bevor der Professor sich diesem Themenbereich weiter widmen konnte. Denn Pit hatte vor, heute noch etwas zu essen. Am besten mehrmals. Madame Baels stand mit einem Handy am Ohr vor dem Eingang des Museums. Als sie Adalbert auf der Rückbank erkannte, rannte sie auf das Taxi zu und riss die Wagentür auf.
»Herr Professor, bitte kommen Sie! Es ist so gut, dass Sie da sind. Ich bin der Verzweiflung nahe. Es ist ganz dringend.«
Bietigheim sprang wie ein junger Rehbock aus dem Taxi und schloss Madame Baels erst einmal in die Arme. Ein wenig ungelenk, aber nichtsdestotrotz herzlich. Pit kam nicht umhin zu denken, dass es ihm einfach an Erfahrung mit dem Umarmen mangelte. Und er hatte sehr wohl bemerkt, dass der Professor bei einem dringlichen Anliegen von Madame Baels sofort die Ohren spitzte, anstatt einen Exkurs über die Zeitnot der modernen Gesellschaft anzustimmen.
Bietigheim löste die Umarmung und ergriff die Hände der Museumsdirektorin. »Selbstverständlich bin ich sofort zur Stelle, Madame Baels. Wenn etwas dringend ist, komme ich selbstverständlich sofort, manche Dinge kann und darf man schließlich nicht aufschieben!«
Pit heulte auf.
»Danke für Ihr Verständnis, Herr Professor.«
»Aber immer! Worum handelt es sich denn? Doch nicht schon wieder ein …?«
»Nein, diesmal kein weiterer Mord. Noch schlimmer!«
»Noch schlimmer als ein Mord?« Bietigheims Augen wurden größer.
Madame Baels nickte und ging dann mit schnellen Schritten das Treppenhaus empor, dicht gefolgt von dem Professor und in einiger Entfernung Pit und … wo steckte eigentlich Benno? Bietigheim drehte sich nach allen Seiten um. Hatte er ihn etwa im Hotel bei Vanessa Hohenhausen zurückgelassen? Vergessen, nur wegen eines Mordes? Das würde ihm der kleine Fratz nie verzeihen.
Es sei denn, heute Abend gab es Pansen.
»Bitte! Schnell!«, ermahnte ihn Madame Baels zur Eile, tiefe Sorgenfalten durchschnitten ihr Gesicht. »Hier hinein!«
Sie verschwand in dem kleinen Kinoraum des Museums, etwa dreißig schwarze Klappstühle aus Plastik standen darin, auf die kleine Leinwand vor ihnen wurde ein Film über die Ernte und Verarbeitung der Kakaobohnen projiziert.
Normalerweise.
Jetzt war auf der Leinwand der Oberkörper eines Jaguar„kriegers zu sehen. Das vermummte Gesicht im Dunkeln.
Dafür eine Obsidianklinge funkelnd im Licht neben seinem Kopf.
»Starte es bitte wieder, Mareijke. Der Professor ist jetzt da.« Sie setzte sich zitternd.
»Wollen Sie sich das wirklich noch mal antun, Madame Baels?«, fragte die junge Chocofee aus dem hinteren Teil des Raumes, wo der Projektor stand.
Die Museumsleiterin nickte stumm.
Der Professor ergriff ihre Hand.
Der Film startete, der Jaguarkrieger begann zu sprechen.
»Der klingt ja wie Darth Vader«, sagte Pit.
»Pssst!«, herrschte Bietigheim ihn an. Doch Pit hatte recht. Die Stimme des Jaguarkriegers war so verstellt, dass sie wie die des dunklen Sith-Lords aus »Star Wars« klang.
»Jana Elisa da Costa ist tot. Wir bekennen uns hiermit zu dieser Tat. Sie starb für die Sünden ihrer Familie, für die Sünden ihres Landes, für die Sünden aller Länder, die Kakao produzieren und dabei Menschen ausbeuten. Kakao ist schwarzes Gold, nach Erdöl und Kaffee zählt er zu den am meisten gehandelten Rohstoffen auf dem Weltmarkt. Er wird in mehr als dreißig Entwicklungsländern angebaut, vierzehn Millionen Menschen bestreiten damit ihren Lebensunterhalt.« Der Jaguarkrieger machte eine kurze Pause. »Schätzungsweise neunzig Prozent des weltweit produzierten Kakaos stammen von Familienbetrieben, die oft nur kleine Felder von weniger als fünf Hektar bewirtschaften. Viele Kleinbauern wissen gar nicht, was ihre Produkte wert sind. Zwischenhändler nutzen diesen Zustand aus und bezahlen ihnen oft viel zu niedrige Preise, die weit unter dem eigentlichen Marktwert liegen. Das sehr geringe Einkommen
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