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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Cruyce« geradezu leichten Schrittes.
    Madame Baels saß auf einem Polstersessel.
    Leider sah sie nicht so aus, als hätte sie es vor lauter Sehnsucht nach Adalbert nicht mehr ausgehalten und wäre gekommen, um ihn direkt mit nach Hause zu nehmen. Sie sah blass aus, erschöpft, geradezu zerstört.
    Als sie aufstand, wankte sie sogar leicht, Adalbert machte sich ernsthaft Sorgen und trat zu ihr, um diese große, kräftige Frau zu stützen.
    »Madame Baels, was ist passiert?«
    »Es wird immer schlimmer, Herr Professor. Immer noch schlimmer.« Sie war am Ende ihrer Kräfte.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wollen Sie sich nicht zuerst setzen, Professor?«
    »Nein, aber Sie setzen sich wieder!« Bestimmend bugsierte er sie zurück in den Sessel. »Ich kann viel aushalten. In Hamburg sind wir eine steife Brise gewohnt. An der Alster und im Leben. Uns haut nichts so schnell um.«
    »Es geht um Jana Elisa da Costa.«
    »Was ist mit ihr? Hat die Obduktion etwas Ungewöhnliches ergeben?«
    »Nein, dazu kam es gar nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Die Leiche. Ihre Leiche.« Madame Baels holte tief Luft.
    »Ja?«
    »Sie ist gestohlen worden.«

KAPITEL 6

    Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen …
    … es kann Nüsse enthalten.
    Pit liebte Autofahren. Gerne mit lauter Musik, Seitenfenstern runter, an nix denken. Gut, an den Verkehr, aber das erledigte sein Unterbewusstsein, das fuhr von alleine, quasi als Pits Chauffeur. Das platte Land Westflanderns gefiel ihm, diese Region, die eigentlich unter Wasser stünde, wenn die Belgier sie dem Meer nicht abgerungen hätten. Selbst wenn man das Meer nicht sah, selbst wenn der Wind nicht dessen salziges Aroma zu einem trug, spürte man doch, dass es nah lag. Pit wunderte es kein bisschen, dass Menschen, deren Luft so viel Salz aufwies, ein Faible für Süßes entwickelt hatten.
    Knokke-Heist war zwar das Mekka der Reichen und Schönen Belgiens, konnte es aber an Schönheit nicht mit De Haan aufnehmen. Hochhäuser verschandelten den Strand, von dem aus man den großen Hafen Zeebrugges sehen konnte. Oder besser: musste.
    Das »Choco-Paradijs« lag in einem Ladenlokal der Strandpromenade Zeedijk-Albertstrand – und damit in bester Lage. Nur ganz dünn stand in goldener Schnörkelschrift der Name der Massagepraxis auf den schokoladenbraunen Vorhängen. Pit war enttäuscht: keine Bilder nackter Frauen, die über und über mit Schokolade beschmiert waren.
    Na ja, vielleicht drinnen.
    Doch nein, drinnen auch nicht, stattdessen sah es aus wie in einer Modeboutique. Ein großer Tresen aus Sheesham-Holz dominierte den Raum, dahinter drei vergoldete Tafeln mit den Namen der unterschiedlichen Schokoladenmassagen, in der Ecke eine kleine Sitzecke mit Lederpolstermöbeln sowie zwei Zimmerpflanzen, die sich bei näherer Betrachtung als Kakaobäume herausstellten. Künstliche allerdings. Hinter dem Tresen stand eine Frau. Auch sie weder nackt noch mit Schokolade bedeckt. Ungläubig sah sie Pit an.
    »Der Motorradladen ist in der nächsten Querstraße«, sagte sie mit hochgezogener Oberlippe.
    »Ich will mich aber nicht mit Motoröl, sondern mit Schokolade einsauen lassen.«
    Einen Moment lang sah sie ihn noch mit großen Augen an, dann war es, als hätte jemand in ihrem Kopf einen Schalter umgelegt, und sie sprang in den Automatikmodus. »Willkommen im Choco-Paradijs, ich bin Madonna. Haben Sie einen Termin?«
    »Nein, ganz spontane Entscheidung, mein Körper schreit nach Schokolade. Ausnahmsweise mal nicht oral.«
    Aus versteckten Boxen plätscherten esoterische Klänge, die den Gast wohl beruhigen sollten. Sie machten Pit auf Anhieb aggressiv.
    Es war, als sagte ihm jemand unaufhörlich, er solle sich beruhigen. Das konnte er gar nicht leiden. Er entschied schon selber, wann es Zeit war, sich zu beruhigen.
    »Wann möchten Sie denn zu uns kommen?«
    »Jetzt gleich, ich möchte also quasi bei Ihnen bleiben.«
    Sie blätterte in einem riesigen ledergebundenen Buch. »Da haben Sie aber Glück, zurzeit ist Manon frei. Welche Massage darf es denn sein, wir haben …«
    »… suchen Sie eine aus. Eine, die zu meinem Typ passt.«
    »Was ist denn Ihr Typ?«
    »Pit. Das ist Name und Typ in einem.«
    »Dann nehmen wir doch die einstündige Hot Chocolate Massage für siebzig Euro. Dabei wird hochwertiger warmer Schokoladenbalsam auf Ihren Körper gegossen. Die pflegenden Inhaltsstoffe des Kakaos, die Wirkstoffe der Kakaobutter und die aromatischen Düfte lassen Sie bei einer sanften Massage unter den Händen

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