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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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kein Problem darstellen.
    Der Professor hatte gerade sein Jackett ausgezogen, ordentlich über einen Küchenstuhl gehängt und sich rücklings auf ein Geschirrtuch unter die Spüle gelegt, als die Herrin des Hauses zurückkehrte.
    »So, Ihr Kaffee. Schwarz, nehme ich an. Handwerker wie Sie trinken doch immer schwarz. Sind Sie schon weitergekommen? Es eilt, wissen Sie. Sehr sogar, wie damals bei unserer …«
    Bietigheim fasste sich ein Herz und unterbrach sie, was er sonst nur bei seinen Studenten tat.
    »Ist hier im Ort nicht vor Kurzem jemand gestorben?«
    Sie spitzte die Lippen. »Eine schreckliche Sache, die arme Madame Poincaré. Das Herz blieb einfach stehen, bei der Arbeit. Unser Bürgermeister hat sie gefunden. Sie hat nebenan gewohnt, müssen Sie wissen. Wir standen uns sehr nah, fast wie Schwestern. Seit Kindesbeinen ging ich bei ihrer Familie ein und aus. Na ja, die sind alle schon gestorben oder ausgewandert, nur Benoit ist hiergeblieben. Jetzt darf er sich trotzdem um das Erbe streiten. Irgendeine Cousine aus Australien hat offenbar einen Anwalt beauftragt, ihre Ansprüche zu vertreten. Aber viel gibt es da sicher nicht zu holen. Sie hat ja ganz bescheiden gelebt. Nun arbeiten Sie aber mal schön weiter, guter Mann. Wieso dauert das überhaupt so lange? Am Telefon wurde mir versichert, so etwas sei eine Sache von wenigen Handgriffen!«
    Bietigheim zuckte zusammen und stieß sich dabei schmerzhaft die Stirn am Rohr. Das Unglück verschaffte ihm jedoch einige Sekunden, um über eine glaubwürdige Antwort nachzudenken.
    »Es handelt sich leider um einen besonders schwerwiegenden Fall. Das Anti-Verstopfungs-Gel, welches ich insertiert habe, muss erst sedimentieren. Das dauert leider ein paar Minuten. Ich horche am Rohr, ob sich bereits etwas löst.«
    »Ach.«
    »Wie war sie denn so, diese Madame Poincaré?« Bietigheim griff sich die von der Hausbesitzerin netter- und – hätte es sich um einen echten Handwerker gehandelt – völlig unnötigerweise bereitgelegte Rohrzange. Sie war viel schwerer, als Bietigheim erwartet hatte.
    »Ja, wie war sie?« Madame Faiveley seufzte schwer. »Still und bescheiden war sie und hatte ein gutes Herz, das muss man sagen. Immer mal wieder klopfte ein Clochard an der Tür – bei ihr bekam er etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. Aber keiner durfte es wissen. Sie lebte ja sehr zurückgezogen und nahm zuletzt gar nicht mehr richtig am Dorfleben teil. Hatte nur ihre Arbeit im Kopf, den Käse. Sie bekam auch nur selten Post, ich habe immer mal wieder nachgeschaut. Man macht sich ja Sorgen. Sie müssen schon kräftiger drehen, guter Mann!«
    Das tat Bietigheim nun hochmotiviert. Denn die Sache mit den Clochards klang nach einer Spur! Ob wohl einer in den letzten Tagen gesehen worden war? Oder gar von der Polizei aufgegriffen? Clochards gehörten in Frankreich ja zur Folklore. Touristen erwarteten stets ein paar malerische Exemplare, sonst fühlten sie sich nicht richtig im Urlaub.
    Plötzlich machte es Klonk!
    Und das Rohr war ab.
    Madame Faiveley stieß einen glasklaren Schrei aus, Bietigheims gutes Hemd war hinüber, die frisch gebohnerte Küche ein Saustall – aber der Abfluss endlich frei.
    Schnell fand sich der Professor wieder draußen bei seinem kaputten Fahrrad. Die Hausherrin gab ihm zum Abschied sehr deutlich zu verstehen, dass sie sich umgehend bei seinem Vorgesetzten zu beschweren gedachte.
    Na, die würde sich wundern!
    Bei den nächsten drei Häusern öffnete niemand, zwei weitere Ortsbewohner waren weder bereit ihm zu helfen, noch wollten sie etwas über Madame Poincaré erzählen. Doch dann hatte Bietigheim Glück. Ein Junge, den die Pubertät gerade mit erbsengroßen Pickeln gestraft hatte, erklärte sich bereit, das Fahrrad zu flicken – aber nur, wenn Bietigheim dafür zehn Euro berappte. Kindermund tut Wahrheit kund, dachte der Professor, zahlte und fragte während der Reparatur nach Madame Poincaré.
    »Papa hat immer gesagt, die glaubt nicht an Gott, und dass sie so eine Kommunardin ist, oder so.«
    »Kommunistin.«
    »Das auch! Die ist nie in die Kirche gegangen, ich weiß das, ich bin Messdiener. Und im ganzen Haus hängen bei der keine Kreuze. Nicht eins! Total krass, dass jetzt der Erzbischof was zu ihrem Tod gesagt hat. Der kannte die doch gar nicht. Hier weiß keiner, was die mit dem zu schaffen hatte. Meine Mutter meint ja, die Kirche vom Erzbischof ist dem Schutzheiligen des Käses geweiht. Aber mein Vater findet, dass das totaler Blödsinn

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