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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Katze vor die Tür gelegt hat.
    »Ich sollte mich doch in der Nähe aufhalten. Ihre Worte.«
    »Verkaufen Sie mich doch nicht für blöd, Freundchen! Sie haben die ganze Nachbarschaft ausgehorcht. Gérard war nicht der Erste, der sich bei mir gemeldet hat. Mir bleibt hier nichts verborgen.«
    Der Bürgermeister blickte sich um. Die Gasse war leer. Dann trat er näher. Sehr viel näher. Das konnte Bietigheim, der stets darauf bedacht war, ausreichend Abstand zu halten, gar nicht leiden. Doch zurücktreten konnte er nicht, denn hinter ihm befand sich eine Hauswand.
    »Ihre Adresse, bitte! Die in Frankfurt. Ihre jetzige Unterkunft kenne ich ja schon. Denn ich habe es mir anders überlegt. Es war äußerst unhöflich, Sie zu bitten, hierzubleiben. Sie sollten nach Hause fahren, sehr schnell sogar.« Er lächelte und reichte Bietigheim Füller und Notizblock. »Ich mag es nicht, wenn sich jemand in meine Angelegenheiten einmischt. Schon gar nicht einer wie Sie, den all das überhaupt nichts angeht. Treiben Sie keine Spielchen, das kann ich nämlich viel besser.«
    »In diesem Punkt widerspreche ich Ihnen nicht«, sagte Bietigheim und händigte die Adresse aus. »Einem Mann, der einen Mord vertuscht, ist schließlich alles zuzutrauen.«
    Es war das erste Mal in Bietigheims Leben, dass ihm jemand vor die Füße spuckte.
    Er hätte gut darauf verzichten können.
    Als er am Abend in die Höhle zurückkehrte, traf Bietigheim seinen geliebten Benno von Saber wieder. Er saß auf dem Schoß von Pit, der mit ihm eine Lyoner Cervelatwurst teilte. Die beiden wirkten äußerst zufrieden.
    »Störe ich bei den Wiedersehensfeierlichkeiten?«, fragte Bietigheim und beugte sich zu dem Foxterrier, um ihn angemessen begrüßen zu können. Doch der kaute fröhlich weiter.
    »Die Haustür stand offen«, erklärte Pit schmatzend. »Da bin ich einfach mal rein. Die Käsebücher hab ich alle schon in die Küche getragen. Stehen neben der Spüle. Wo kann ich denn hier pofen?«
    Neben der Spüle? Dieser Mann war ein Barbar, durch und durch!
    »Sie können zurückfahren. Danke für Ihre Mühe.«
    »Nö, ich bleibe. Keine Widerrede, Prof! Pit macht jetzt Urlaub. Und wissen Sie was? Ich glaube, ich such mir selber ein Plätzchen im Haus. Da hat Ihr Verwandter sicher nichts gegen. Also runter mit dir, Benno, du alter Spürhund!«
    Der Foxterrier schoss an Bietigheim vorbei ins Treppenhaus und fand im obersten Stockwerk des alten Hauses tatsächlich ein unbenutztes Zimmer mit Bett für Pit. Es wäre falsch zu behaupten, der Raum sei mit Spinnennetzen überzogen gewesen. Das wäre, als würde man sagen, das Meer sei mit Wasser dekoriert. Pit holte sich ein Buch von Bietigheims Bücherstapel (Lexikon der größten Käse-Irrtümer, Band 1) und zerschlug sämtliche Spinnenweben. Völlig furchtlos. Er war der Meinung, die unzähligen Spinnen müssten mehr Angst vor ihm haben als er vor ihnen. Das sahen die Spinnen glücklicherweise genauso. Selbst die giftigen.
    Das kleine Waschbecken im Zimmer hatte einen Hahn aus Porzellan. Pit drehte ihn auf, und ein Geräusch ertönte aus der erzitternden Leitung, das an einen kalbenden Tyrannosaurus Rex erinnerte.
    »Sagen Sie Ihrem Jan, dass seine Leitungen rosten«, rief er hinunter zu Bietigheim. »Das Wasser ist ganz braun.«
    »Die Farbe kommt nicht vom Rost«, informierte ihn Bietigheim. »Das sind Kakerlakenkot und Kakerlakenleichen. Die Wasserwerke verschweigen diese Information gerne. Sie sollten das Wasser eine halbe Stunde laufen lassen. Und trinken Sie es bloß nicht!«
    Pit fühlte sich mit einem Mal heimisch. Es war wie im Zeltlager, nur mit einer Art Dach über dem Kopf. Jetzt fehlten nur noch klamme Klamotten und schlechtes Bier.
    Jan kehrte am Nachmittag zurück. Man sah ihm an, dass eine Laus über seine Leber gelaufen war – von der Größe eines Kleinlasters. Er hielt die gerade aus dem Briefkasten gefischte Post in Händen und blätterte sie schnell durch. Dann warf er sie enttäuscht auf den Wohnzimmertisch. Wieder kein Schreiben von Colette. Seine Laune sank noch weiter unter null.
    »Adalbert, kommst du mal bitte?«
    Das tat der Professor und nahm Pit zur Vorstellung gleich mit hinunter. Jan nahm den Neuankömmling gar nicht richtig wahr – obwohl man ihn kaum übersehen konnte. Er nickte nur kurz zustimmend, als er von Pits Urlaubsplänen in seinem Haus erfuhr.
    »Pass auf, Adalbert, ich weiß von der Geschichte in Epoigey, von deinen Nachforschungen. Der Dorfpolizist, Benoit, hat mich eben

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