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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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darum muß ich sie tolerieren.«
    Travis suchte nach der Quelle der Stimme, und erst nach einem Augenblick erkannte er, daß jemand an dem wackeligen Tisch vor dem Kamin saß. Der Mann war dürr bis zum Punkt der Auszehrung. Sein fahles Gesicht war mit Pockennarben übersät, das dünne Haar lag eng an Schädel und Stirn an. Sein purpurfarbenes Wams mochte einst sehr kostbar gewesen sein, aber nun war es von Flecken übersät und fadenscheinig.
    Der Lord deutete mit einer knochigen Hand auf ein paar Bänke neben dem Tisch. Seine Stimme war zwar abgehärmt, jedoch durchaus nicht unangenehm. »Kommt, setzt Euch ans Feuer und wärmt Euch. Ich kann Euch nicht die Begrüßung offerieren, die ich Euch einst geboten hätte, aber Ihr seid herzlich willkommen, das zu nehmen, was mein ist. Die Dinge ändern sich, aber keiner soll sagen, daß Sebaris von Thale die Gesetze der Gastfreundschaft vergessen hat.«
    Melia machte einen anmutigen Knicks. »Vielen Dank, Mylord.«
    Mit zitternden Händen nahm Kirtha ihre nassen Umhänge entgegen und hängte sie in der Nähe des Kamins auf. Die Reisenden setzten sich auf die splitterigen Bänke, und der Hausherr schenkte ihnen höchstpersönlich erhitzten Wein ein. Travis nahm einen Schluck. Der Wein schmeckte nach Essig und war ordentlich mit Wasser gestreckt, aber wenigstens wärmte er. Der Lord fragte sie nicht nach ihren Namen, aber soweit Travis wußte, gehörte das zu den Gesetzen der Gastfreundschaft, die auf dieser Welt so wichtig erschienen. Oder der Lord war einfach verrückt. Jetzt, wo sie nahe bei ihm saßen, fiel Travis ein fiebriges Leuchten in seinen Augen auf.
    Kirtha, die den Saal verlassen hatte, während sie ihren Wein tranken, kehrte mit einem Tablett zurück, das sie auf dem Tisch abstellte. Sie hatte nicht viel zu tragen gehabt: etwas trockenes Brot, ein paar gekochte Steckrüben und ein paar Stücke knorpeliges Fleisch. Lord Sebaris bedeutete den Reisenden, sich selbst zu bedienen, und das taten sie auch – wenn auch ohne großen Genuß.
    »Ihr fragt Euch doch sicher, warum meine Tafel so kärglich ist, nicht wahr?« sagte Sebaris. »Ich kann es Euren Gesichtern ablesen. Ihr haltet es für schimpflich, daß ein Lord auf diese Weise lebt.«
    »Nicht im mindesten«, erwiderte Melia. »Wir sind dankbar für Eure Großzügigkeit.«
    Sebaris lachte; ein verloren klingender Laut. »Ihr habt ausgezeichnete Manieren, Mylady. Vor ein paar Jahren hätte ich Euch das Festmahl einer Königin geboten.« Sein Blick wurde gedankenverloren. »Aber es ist so wenig übriggeblieben. Sie nehmen es sich, müßt Ihr wissen. Sie nehmen alles.« Seine Finger verkrampften sich wie Klauen um die Lehnen seines Stuhls. »Aber das ist schon richtig so, nicht wahr? Besser, sie nehmen das Silber, den Wein, das Essen. Besser, sie nehmen solche Dinge, als daß sie dein …«
    Seine Worte endeten in einem Hustenanfall. Krämpfe schüttelten seinen ausgezehrten Körper. Schließlich klang der Hustenanfall ab. Der Lord tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab, auf dem Stoff zeigten sich dunkle Blutflecken.
    Melia betrachtete Sebaris mit ernstem Gesichtsausdruck. »Wer sind sie, Mylord?«
    Er wischte ihre Worte mit einer schmalen Hand beiseite. Sein Blick war wieder in die Gegenwart zurückgekehrt. »Verzeiht mir, Mylady. Ich habe geplappert, das ist alles. Ich litt kürzlich unter einem Fieber. Aber darüber braucht Ihr Euch keine Sorgen machen.«
    Danach aßen sie schweigend weiter.
    Als sie fertig waren, räusperte sich der Lord. »Wie ich sehe, ist einer von Euch fahrender Sänger?«
    Falken hatte seine Laute hervorgeholt und bearbeitete das polierte Holz des Instruments mit einem Tuch.
    »Darf ich von Euch ein Lied erbitten? Es ist lange her, daß Musik diesen Saal schmückte.«
    Falken hob die Laute und überprüfte die Saiten. »Das ist ein altes Lied. Und doch paßt es in eine Nacht wie diese, glaube ich.« Der Barde schlug einmal sämtliche Saiten an, dann fing er mit klarer Stimme an zu singen.
    »Zur Abenddämmerung ins Tal sie kamen,
Glennen der Tapfere und Reifmähne die Schnelle,
Einhundert Meilen schon hinter ihnen lagen,
Auf sie wartete die lange finstere Nacht bis zur
Tagesanbruch Helle.
Seine Müdigkeit, sie war so groß,
Er wollte eher sterben als zu ruhen.
Weiter galoppierten der Graf und sein edles Roß,
Die Königin zu warnen und sie zur Eile zu mahnen.
Da zerriß es das Zwielicht glatt entzwei,
Und Glennen sprach zu seinem Roß:
›Lauf flinke Reifmähne, so schnell wie ein

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