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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hatte nicht die geringste Vorstellung, was Bruder Cy gedacht hatte. Aber selbst der Priester hatte sich gescheut, die Schatulle aus Eisen zu berühren, die Jack ihm gegeben hatte.
    Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch holte Travis das kleine Kästchen hervor. Er hatte ganz vergessen, wie schwer es sich auf seiner Handfläche anfühlte. Er zeichnete mit dem Finger die komplizierten Runen auf seiner Oberfläche nach. Jetzt erkannte er ein paar davon. Die größte Rune, die in der Mitte des Deckels, war Sinfath: das Zwielicht.
    Travis kaute auf der Unterlippe herum. Irgendwie drehte sich alles um diesen Behälter und den darin aufbewahrten Stein. Jack, Cy, Falken, Melia – jeder, der etwas darüber wußte, was hier vor sich ging, war an dem Kästchen interessiert gewesen, trotzdem hatten sie alle gezögert, es zu berühren.
    Er fing an, den Deckel anzuheben, dann verharrte er. Er blickte auf. Der Barde und Melia waren ein Stück vorausgeritten. Sie würden es nicht bemerken, und er würde den Behälter nur einen kurzen Augenblick lang öffnen. Er wollte nur den Stein wiedersehen, vielleicht seine Glätte auf der Haut spüren, bloß ein oder zwei Sekunden lang.
    Er klappte den Deckel auf, bevor er es sich anders überlegen konnte. Eine tiefe Ruhe überkam ihn. Der gesprenkelte grüne Stein funkelte auf seinem Samtbett. Travis schloß die Finger darum. Schuld schlich sich in das Vergnügen, und mit großem Zögern legte er ihn zurück in die Schatulle und schob sie sich wieder unter das Wams.
    Doch im Verlauf der nächsten Tage holte er den Stein mehrere Male hervor. Er wollte es nicht. Er ertappte sich dabei, wie er sein Pferd ein Stück zurückfallen ließ, und noch bevor er sich dessen bewußt wurde, lag der Stein auf seiner Hand. Es war so leicht, sich in seiner schillernden Oberfläche zu verlieren, und die Meilen schienen viel schneller zu verstreichen, wenn er ihn in der Hand hielt – obwohl er ihn immer in seinen Behälter zurücklegte und zu den anderen aufschloß, bevor sie sein Herumtrödeln bemerkten.
    Gegen Abend des elften Tages nach ihrem Aufbruch aus Kelcior – dem vierten nach dem Zwischenfall auf dem Gut des verrückten Lords – hob Falken die Hand mit dem schwarzen Handschuh und ließ die Gruppe anhalten.
    Der Barde betrachtete zwei große Steinsäulen, die aus dem Farn am Straßenrand herausragten. Sie waren dreimal so hoch wie breit, und die Muster auf ihren vom Wind abgeschliffenen Oberflächen waren kaum noch zu erkennen. Hinter ihnen schien es so etwas wie einen Pfad zu geben, der sich in die Ausläufer der Morgenrotberge hinaufschlängelte.
    Melia schnippte sich den Zopf hinter die Schulter. »Ich war der Meinung, wir hätten uns darauf geeinigt, daß wir keine Zeit für deinen kleinen Abstecher haben, Falken.«
    »Und ich war der Meinung, wir hätten uns darauf geeinigt, darüber zu sprechen, sobald wir hier angelangt sind.«
    »Du wirst alt, Falken. Dein Gedächtnis läßt nach.«
    Der Barde lachte. »Oh, gerade du mußt vom Alter sprechen, Melia.«
    Ihre Miene verdüsterte sich. »Wie regeln wir das also?«
    »Ich weiß nicht. Wie?«
    Beltan räusperte sich. »Entschuldigung. Ich weiß, daß das eine ziemliche Ironie ist, aber … ich habe tatsächlich eine Idee.«
    Melia und Falken wandten sich dem großen Ritter zu. Sie warteten gespannt.
    Jetzt, wo Beltan ihre Aufmerksamkeit hatte, wirkte er unbehaglich. »Warum geht Falken nicht dorthin, wo er hin muß, während der Rest von uns weiter auf dem Königinnenpfad bleibt?«
    Falken verschränkte die Arme. »Mich loswerden zu wollen ist keine diskussionswürdige Möglichkeit, Beltan.«
    »Oh, ich weiß nicht«, sagte Melia. »Mir gefällt die Idee.«
    »Das glaube ich gern.«
    »Nicht so schnell«, sagte Beltan. »Das ist nicht der ganze Plan. Der Rest von uns reitet nur mit der Hälfte unseres sonstigen Tempos weiter, und wenn Falken das erledigt hat, was auch immer er erledigen muß, kann er uns im schnellen Galopp einholen. So kann Falken seinen Abstecher machen, und wir kommen Calavere in der Zeit ein Stück näher.«
    Travis grinste Beltan an. Für jemanden, der von sich behauptete, kein großer Denker zu sein, war das ein ziemlich cleverer Plan.
    Falken und Melia musterten einander, als wollten sie vorhersagen, was der andere dazu zu sagen hatte.
    »Der Plan hat seine Vorzüge«, sagte Melia.
    Der Barde schnaubte. »Er könnte akzeptabel sein.«
    Beltan atmete erleichtert auf. »Warum denkt ihr beide nicht darüber nach? Es wird

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