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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Boreas damit zu behelligen. Männer teilen ihre Gerechtigkeit aus und wir unsere. Stimmt das nicht, Euer Majestät?«
    Ivalaine bestätigte Kyrenes Worte nicht. Statt dessen musterte sie Grace eindringlich, als würde sie nach etwas Ausschau halten.
    »Begleitet uns, Schwester«, sagte die Königin von Toloria.
    Grace verspürte nur den Wunsch, in ihr Gemach zurückzukehren. Aber obwohl sie nur wenig von Politik und Hofetikette verstand, vermutete sie, daß man die höfliche Bitte einer Königin nicht abschlug. Sie neigte den Kopf und gesellte sich zu Kyrene und Ivalaine. Tressa und die Wächter folgten ein paar Schritte hinter ihnen.
    »Eure Worte haben es geschickt übergangen, Lady Grace«, sagte Ivalaine, »aber ich weiß, was Ihr getan habt.«
    Grace sah die Königin überrascht an. »Ich fürchte, ich habe einfach nicht nachgedacht, Euer Majestät. Ich wußte nicht, daß er von mir erwartet, daß ich für den Kuchen bezahle. Sonst hätte ich niemals …«
    »Das meinte ich nicht, Lady Grace. Das wißt Ihr genauso gut wie ich. Ein einzelner Funke hätte das Wams des Mannes nicht so schnell in Brand setzen können.«
    »Aber …«
    Ivalaine blieb stehen und legte eine Hand auf Graces Arm. »Ihr wißt genau, was geschehen ist, Schwester. Ihr müßt nur zulassen, daß Ihr auch daran glaubt.«
    Grace erinnerte sich – die Rufe der Eulen, die finsteren Korridore, ihr zerrissenes Nachthemd. Dann das Feuer, das Feuer und die Schreie. Schon einmal hatten Flammen Hände in Brand gesteckt, die sie berührt hatten, schon einmal hatte Feuer sie befreit. Aber das war ein Zufall gewesen, das war alles. Das mußte es sein. Grace schüttelte den Kopf, verdrängte die Erinnerungen.
    Ivalaine nahm Graces Hände zwischen die eigenen.
    »Ihr habt recht, Lady Kyrene«, sagte die Königin. »Sie hat die Gabe.«
    Kyrene lächelte triumphierend.
    »Sie ist stark in ihren Händen. Stärker, als ich es seit langem gesehen habe.«
    Kyrenes Miene veränderte sich. Sie schenkte Grace einen überraschten Blick, dann senkten sich die Lider über ihre smaragdgrünen Augen und verwandelten sie in Schlitze.
    Grace riß die Hände zurück. »Die Gabe? Was meint Ihr damit?«
    Ivalaine blickte sie ernst an. »Die Gabe des Heilens, Lady Grace – der Kontrolle, der Macht.«
    Grace schaute auf ihre Hände hinunter, die lang und schlank waren, genau wie die der Königin. Die Gabe des Heilens. Wie viele Menschen hatten diese Hände in der Notaufnahme vom Rande des Todes zurückgebracht? Wie viele Herzen hatten sie wieder zum Schlagen überredet, wieviel Leid hatten sie gelindert? Aber daran war nichts Wunderbares. Es war Notfallmedizin, das war alles. Brustkatheter und Tröpfe und Defibrillatoren, nichts Besonderes. Keine … Magie.
    »Grace!«
    Der Klang ihres Namens ließ sie aufsehen. Aryn drängte sich an zwei Buden vorbei und eilte auf die drei Frauen zu, ohne darauf zu achten, daß der Saum ihres Gewandes durch den Schlamm streifte.
    »Grace, alles in Ordnung mit dir?« Die blauen Augen der Baronesse waren weit aufgerissen vor Furcht.
    Grace legte eine Hand auf den Ausschnitt ihres Gewandes und starrte ihre Freundin an. »Ja, Aryn, mir geht es gut. Warum?«
    »Ich … ich hatte bloß das Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung war.« Sie seufzte. »Es ist albern, ich weiß. Ich hätte dich nicht damit behelligen sollen. Aber das Gefühl war einen Augenblick lang so stark.«
    Grace schüttelte den Kopf. Wenn Aryn bloß wüßte, wie recht sie gehabt hatte … »Aber du störst mich doch nicht«, sagte sie. »Doch woher wußtest du, wo du mich finden kannst?«
    Aryn öffnete den Mund, schloß ihn wieder und runzelte die Stirn, als wäre sie sich ihrer Antwort nicht sicher.
    »Ihr wußtet einfach, daß sie hier war, nicht wahr?«
    Es war Ivalaine, die das Wort ergriffen hatte. Aryn schaute verblüfft auf, als würde sie erst jetzt bemerken, daß die Königin und die Gräfin vor ihr standen. Sie senkte den Kopf.
    »Ja, Euer Majestät. Zumindest hat es den Anschein. Aber ich vermute, daß es bloß gut geraten war.«
    Ivalaine antwortete ihr nicht. Statt dessen richtete sie den eisblauen Blick auf Kyrene. »Warum habt Ihr mir nichts von dieser hier berichtet?«
    Kyrene zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Sie ist ein Kind, Schwester.«
    Ivalaine legte eine Hand unter ihr Kinn. »Sie ist jung, ja, aber mehr als ein Kind, glaube ich.« Ihre Augen blitzten auf. »Und hier, an diesem Ort, dürft Ihr mich mit Euer Majestät ansprechen,

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