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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Grace wußte es. Sie wußte es mit einer seltsamen und perfekten Sicherheit. Andererseits war es nicht das erste Mal, daß sie dem Bösen gegenüberstand.
    In diesem Bruchteil eines Augenblicks traf Grace eine Entscheidung. Sie konnte diesem Ding nicht erlauben, das zu tun, wozu auch immer es erschaffen worden war. Der nackte Mann näherte sich dem Rollstuhl. Die Frau hatte den Kampf aufgegeben und blickte bloß noch die sich nähernde Leiche an. Wie alle wirklich alten Menschen erkannte sie den Engel des Todes, wenn sie ihn anrücken sah.
    Mit einer traumähnlichen Ruhe kniete Grace neben Erwin nieder, schob den Sicherungsriemen am Lederholster an der Hüfte des toten Polizisten zurück und zog den Revolver. Sie stand auf, drehte sich um und zielte. Die Waffe schien eine Verlängerung ihres Arms zu sein.
    Der Tote griff nach der alten Frau. Grace zögerte nicht. Sie zog den Abzug durch und rief den Donner auf die Erde. Der Tote zuckte zusammen und bäumte sich auf, wie vom Schlag eines unsichtbaren Feindes getroffen. An seiner rechten Schläfe trat ein scharlachroter Fleck in Erscheinung wie eine sich entfaltende Blüte. Er machte einen taumelnden Schritt nach vorn. Grace zog den Abzug erneut durch. Der Mündungsblitz und das Krachen ließen die Luft wie feines Kristall zersplittern. Die Arme der Leiche flatterten wie die Flügel eines seltsamen Vogels, der versuchte, sich in die Lüfte zu erheben. Sie schoß wieder, und dann noch einmal. Beim letzten Schuß explodierte die ganze rechte Seite des Schädels förmlich. Eine dunkle Flüssigkeit spritzte in das Gesicht der alten Frau, und sie sah mit betäubtem Erstaunen zu, wie vor ihr der Tod starb.
    Der Mann mit dem Eisenherzen sackte zu Boden. Eine Minute lang wurde er von Krämpfen geschüttelt, seine Beine zuckten, seine Hände kratzten über die Fliesen. Dann lag er still da. Ein letzter Blutstrom trat aus seiner Brust aus und versickerte dann. Selbst dieses Ding brauchte ein Gehirn, um zu funktionieren. Es war vorbei.
    Den Rücken gegen die Wand gelehnt, ließ sich Grace zu Boden rutschen und hockte sich neben den toten Polizisten. Nein, das stimmte so nicht. Es war nicht vorbei. Irgendwie spürte sie, daß das genaue Gegenteil zutraf. Sie lehnte die Wange gegen die Wand, drückte den Revolver an die Brust und blickte in Erwins friedliche, leblose Augen. Sie mußte wieder an die Worte denken, die ihr das Mädchen mit den violetten Augen im Park zugeflüstert hatte, und sie brachten ein seltsam triumphierendes Gefühl mit sich.
    Ja, eine Finsternis kam.
    Um sie herum ertönten aufgeregte Stimmen. Leute drängten in den Empfangsbereich. Zwei Polizisten knieten neben Erwin und fluchten, als sie ihn untersuchten. Grace ignorierte sie. Ihr Blick wurde von den auf dem Boden liegenden Scherben der zerbrochenen Kaffeetasse angezogen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten, erstaunten Lächeln. Also konnte der eingrenzende Kreis doch zerstört und die kreisförmigen Wellen in die Freiheit entlassen werden.

14
    Erst als Travis in der Ferne das Zelt des Erlösungspredigers sah, begriff er, in welche Richtung er sich überhaupt bewegt hatte.
    Er wußte nicht, wie lange er sich nach der Zerstörung des Magician's Attic schon auf der Flucht befand. Vielleicht waren es Minuten, es konnten auch Stunden sein. Eine Zeitlang hatten in der Ferne Sirenen schrill gejault. Dann waren die rechteckigen Umrisse von Castle City hinter ihm zurückgeblieben, und seine Stiefel waren über verwitterten Asphalt gegangen. Danach hatte es nur noch die Dunkelheit und das Fauchen des Windes gegeben.
    Unterwegs rieb er sich die rechte Hand – die Hand, die Jack so fest ergriffen hatte, bevor die Welt aus den Fugen geraten war. Sie pochte noch immer, aber mittlerweile hatte sich der Schmerz verwandelt, er war jetzt wie ein feines Stechen nach einem Stromschlag. Travis erinnerte sich an das wilde Leuchten in Jacks normalerweise so freundlichen blauen Augen. Du bist jetzt unsere Hoffnung, hatte er gesagt, und dann noch geheimnisvoller: Vergib mir, mein Freund. Travis wußte nicht, was er von diesen Worten halten sollte. Nichts davon ergab irgendeinen Sinn. Er wußte nur, daß der beste Freund, den er in dieser Welt gehabt hatte, vermutlich tot war.
    Durch die Schaffelljacke hindurch fühlte er die kleine, schwere Beule, die von der Schatulle aus Eisen herrührte. Was enthielt sie? Was auch immer es war, es konnte unmöglich alles das wert sein, was geschehen war. Oder etwa doch? Schließlich

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