Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
Vom Netzwerk:
zufällig angeordneten Türme vermittelten den Eindruck, daß das Schloß im Verlauf vieler Jahrhunderte planlos ausgebaut worden war. Das Resultat war eine Art rauher Majestät, die so natürlich und ungeplant wie die Schönheit von Bergen erschien.
    Durge trieb sein rußfarbenes Reittier mit einem Flankendruck an. »Komm schon, Schwarzlocke. Jetzt ist nicht die Zeit, um zu trödeln.« Das Pferd streckte die Beine, um schneller zu galoppieren, doch sein Schritt blieb ganz ruhig, fast schon vorsichtig, und es verdrehte die Augen, um die Passagierin zu sehen, die hinter dem Ritter saß.
    Wenige Minuten später erreichten sie den Fuß des Hügels, auf dem sich das Schloß erhob. Durge lenkte Schwarzlocke auf einen breiten Pfad, der in Biegungen zum Gipfel führte. Zum ersten Mal begegneten sie auf der Straße anderen Menschen, und je höher sie kamen, desto mehr wurden es. Sie gingen alle zu Fuß und trugen farblose, jedoch warm aussehende Kleidung aus einem groben Stoff. Einige schoben mit Torf oder Feuerholz gefüllte Holzkarren vor sich her, während andere Bündel auf ihren gekrümmten Rücken trugen oder mit Weidenruten Ziegenherden vor sich hertrieben. Grace erschienen sie alle auf eine seltsame Weise alt; ihre Glieder waren krumm und ihre Gesichter voller Falten. Allein die Augen bildeten eine Ausnahme, sie schienen zu jung für den Rest zu sein.
    Eine Erinnerung schlich sich in ihr Bewußtsein, das Bild alter Männer in geflickten Overalls, die auf einer wackeligen Veranda saßen. Nur daß sie gar nicht alt gewesen waren, nicht wahr? Sie hatte schon einmal ähnliche Menschen gesehen, während eines Urlaubs in den Blue Ridge Mountains von North Carolina. In den Appalachen gab es Orte, an denen die Bevölkerung noch immer unter denselben primitiven Bedingungen lebte wie vor dreihundert Jahren ihre Vorfahren. Sie hausten in wackeligen Hütten, die weder Kühlschränke noch fließendes Wasser oder Elektrizität besaßen. Die meisten von ihnen hatten Jahre älter als ihre Zeitgenossen aus dem zwanzigsten Jahrhundert ausgesehen – faltig, verkrümmt, zahnlos. Etwas sagte Grace, daß es sich bei diesen Menschen ähnlich verhielt.
    Bauern. Das Wort trieb aus ihrem Unterbewußtsein an die Oberfläche. Mit einiger Mühe rief sie sich die verstaubten Erinnerungen an ihren Studentenkurs in Weltgeschichte ins Gedächtnis zurück. Gehörten nicht zu jedem Schloß Bauern, die dem Schloßherrn im Tausch für Schutz einen Tribut in Form von Waren und Arbeit leisteten? Doch laut dem damaligen Professor war das Feudalsystem vor über sechshundert Jahren verschwunden. Zumindest auf der Erde, fügte eine losgelöste Stimme in ihrem Kopf hinzu. Doch ihr war noch immer viel zu kalt, um über die sich daraus ergebenden Folgen nachzudenken. Sie zog die Decke enger und bemühte sich, die Leute auf der Straße nicht anzustarren.
    Sie kamen zum Schloßtor. Es bestand aus einem hohen, in die Mauer eingelassenen Torbogen, der von zwei rechteckigen Türmen flankiert wurde. Schwere Torflügel aus mit Eisen verstärktem Holz standen auf beiden Seiten offen. Der Ritter ließ sein Pferd im Schrittempo gehen und folgte dem Menschenstrom, der sich in die Öffnung ergoß. Dahinter lag ein düsterer Korridor. Die Geräusche von Menschen und Tieren hallten von den Steinwänden wider. Am anderen Ende des Durchgangs gab es ein hochgezogenes Eisengitter. Grace legte den Kopf in den Nacken und entdeckte Dutzende von Löchern in der Decke. Ihr Zweck war klar. Eindringlinge, die das erste Tor überwanden, würden von dem zweiten aufgehalten werden und im Tunnel gefangen sein, während die Verteidiger aus den Mordlöchern dort oben Pfeile oder geschmolzenes Blei herabregnen ließen. Wo auch immer sich dieser Ort befand, Krieg war hier nicht unbekannt.
    Am anderen Tunnelende standen zwei mit Kettenhemden bekleidete Männer, die sich Schwerter an die Hüfte geschnallt hatten. Wie die Bauern waren auch sie ziemlich klein, sahen aber ungemein kräftig aus und hatten wettergegerbte Gesichter mit jungen Augen. Die Bewaffneten sammelten von jedem Bauern, der den Tunnel betrat, eine Kupfermünze ein. Der Ritter ließ sein Pferd vorwärtsgehen. Einer der Wächter blickte auf und salutierte dann, indem er die Faust gegen die Brust schlug.
    »Wo finde ich König Boreas' Seneschal!?« fragte Durge.
    »In den Ställen des Königs, im Oberen Burghof, Herr«, sagte der Wächter und deutete auf den Torbogen.
    Durge nickte und lenkte Schwarzlocke auf den Durchgang zu. Als

Weitere Kostenlose Bücher