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Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor

Titel: Die letzte Rune 01 - Das Ruinentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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erbarmungslose Mund wurde von Falten eingerahmt. Der Ritter mußte um die Vierzig sein.
    Der Ritter?
    Wo hatte sie denn dieses Wort her? Vielleicht hatte sie es ihn in ihrem benommenen Zustand benutzen hören. Oder das in einer Scheide an seiner Hüfte steckende Schwert und die Eisenringe unter dem langen Hemd hatten den Begriff aus den Tiefen ihres Unterbewußtseins herausgezerrt. Wie dem auch war, die Bezeichnung paßte zu dem Mann. Edel, ehrfurchteinflößend, irgendwie gefährlich. Er sah genauso aus, wie ein Ritter auszusehen hatte.
    Da fragte sie sich, ob sie von einer Art Anachronisten gerettet worden war, einem Einsiedler, der sich in die Berge zurückgezogen hatte und sich als mittelalterlicher Krieger kostümierte. Je mehr sie über diese Möglichkeit nachdachte, desto größeren Sinn ergab sie. Mit großer Mühe zwang sie ihren unterkühlten Verstand zurück in die Vergangenheit, um sich daran zu erinnern, was geschehen war, bevor sie sich auf dem Pferd wiedergefunden hatte und mit einem Ritter durch den eisigen Wald ritt. Da war etwas gewesen, ein Ort, eine Tür, eine Stimme. Und plötzlich brachen die Erinnerungen über sie herein; sie sprudelten wie finsteres Wasser aus einem Loch in einem zugefrorenen See nach oben.
    Sie erinnerte sich an das Waisenhaus. Ja, das war es. Sie war in Hadrian Farrs Limousine in die Berge gefahren, auf der Flucht vor der Polizei von Denver und den Männern mit den Herzen aus Eisen. Dann war sie zu müde zum Weiterfahren gewesen, und irgendwie – sei es durch Zufall oder Schicksal – war sie vor der ausgebrannten Ruine des Beckett-Strange-Heims für Kinder gelandet. Dunklere Erinnerungen drohten durch das Loch im Eis hervorzuströmen, aber Grace zwang sie zurück. Sie wollte sich nicht an diese Dinge erinnern. Nicht hier, nicht jetzt. Es war auch so schon bitter kalt genug.
    Was kam dann?
    Ein Bild blitzte vor ihr auf, Augen wie Obsidiansplitter und ein kadaverhaftes Grinsen. Der Mann in Schwarz. Ja, das stimmte. Sie hatte mit diesem seltsamen Prediger in dem altmodischen Anzug gesprochen, dem Prediger, der mit Sicherheit in einer engen Beziehung zu dem Porzellanpuppen-Mädchen aus dem Park stand. Was hatte ihr der Mann in Schwarz gesagt?
    Öffne die Tür, mein Kind. Was du dahinter erblickst, liegt allein bei dir …
    Und genau das hatte sie auch getan. Sie hatte die angesengte Tür des alten Waisenhauses geöffnet, und dahinter … hatte es geschneit. Das letzte, an das sie sich erinnerte, war das Geräusch einer hinter ihr zufallenden Tür. Alles war weiß geworden, sie war gestürzt, und dann …
     … dann war sie hier gewesen und klammerte sich an dem Ritter fest, während das Pferd davongaloppierte.
    Aber das stimmte so nicht. Davor war noch etwas anderes geschehen. Die Erinnerung war so bleich und fein wie die umherwirbelnden Schneeflocken, aber da war dieser eine Augenblick, in dem sie die Augen geöffnet hatte. Bäume hatten mit ihren dunklen Fingern nach dem weißen Himmel über ihr gegriffen, und eine schattenhafte Gestalt hatte sich über sie gebeugt und eine tiefe Stimme erstaunt gesprochen.
    Aber das ist ja eine Lady!
    Ihr analytischer Verstand begann das Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen. Natürlich – alles ergab einen Sinn. Als sie die Tür des Waisenhauses geöffnet hatte, hatte sie Schnee gesehen, aber auch nur deshalb, weil es draußen geschneit hatte. Das war Ende Oktober in den Bergen kaum etwas Ungewöhnliches. Zweifellos waren die Schneeflocken durch die Löcher im Dach des Gebäudes hineingeweht worden. In diesem Augenblick war sie zusammengebrochen, eine unausweichliche physiologische Reaktion auf Streß und Erschöpfung. Es war reines Glück gewesen, daß der Ritter sie gefunden hatte, bevor sie an Unterkühlung starb.
    Grace wandte ihre Gedanken ihrem Retter zu. Vermutlich handelte es sich bei ihm um einen Mann, der historische Epochen Wiederaufleben ließ. Zweifellos lebte er in einem abgelegenen Tal, ritt auf seinem Pferd, trug sein Kostüm und tat so, als würde er in einem seit langem vergessenen Zeitalter leben. Sicher wäre es besser gewesen, jemand hätte vom Highway aus ihre reglos daliegende Gestalt gesehen, aber Grace hatte nicht vor, sich zu beschweren. Sie war dankbar, gerettet worden zu sein, bevor die Hypothermie ihre Atmung endgültig zum Erliegen gebracht hatte. Vermutlich brachte der Ritter sie zu seiner Hütte oder Festung oder was auch immer er sich als Zuhause gebaut hatte. Sobald sie sich ausreichend

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