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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Freunde – in seinen oder ihren Tod schickte.
    »Tun wir’s«, sagte sie.
    Sie verließen Durges Gemach einer nach dem anderen und ließen dazwischen eine oder zwei Minuten vergehen, damit niemand sie zusammen sehen konnte. Grace ging nach Beltan als zweite. Sie trat in den Korridor und blickte in beide Richtungen. Ein paar Diener eilten vorbei, in ihre Aufgaben vertieft, aber das war alles. Sie nahm den Kopf hoch und zwang sich, den Gang in aller Ruhe entlangzugehen. Es wäre nicht gut gewesen, als nervös oder gar in Eile aufzufallen. Darüber hinaus verblaßte das Licht außerhalb der Schloßfenster; sanfter Purpur verhärtete sich zu einem Schiefergrau. Es dauerte noch, bevor das Fest – und die längste Nacht des Jahres – begann.
    Sie vernahm das dumpfe Stimmengedröhn, lange bevor sie den Großen Saal erreichte. In den letzten Tagen waren viele Gerüchte über das Wintersonnenwendfest im Umlauf gewesen, und zweifellos war jedermann erschienen, um zu sehen, ob sie der Wahrheit entsprachen. Den Geschichten zufolge hatte Boreas keine Kosten und Mühen gescheut. Angeblich sollte es einen ganzen am Spieß gebratenen Ochsen geben. Nein, es waren zwei gebratene Ochsen, und jeder sollte mit Lamm gefüllt werden, und das Lamm mit einem Hasen, und der Hase mit einem Rebhuhn, und das Rebhuhn wiederum mit einem Taubenei. Es sollten geschmorte Schwäne und Neunaugen aufgetischt werden, und Finessen, die die Könige und Königinnen der Domänen nachbildeten. Grace wußte nicht, was von diesen Gerüchten zu halten war, aber sie hoffte, daß das letztere der Wahrheit entsprach. Es würde bestimmt Spaß machen, König Boreas anzuknabbern.
    Sie stählte sich und bog um die Ecke, die sie zum Eingang des Großen Saals bringen würde.
    »Lady Grace.« Die Stimme klang bedrohlich. »Wie majestätisch Ihr doch heute abend ausseht.«
    Grace verfluchte sich dafür, aber sie konnte nicht verhindern, daß sie zusammenzuckte. Sie hatte die Frau dort in dem schattenverhüllten Alkoven nicht stehen gesehen. Jetzt trat sie ins Licht, aber die Schatten schienen an ihr haften zu bleiben.
    »Lady Kyrene«, sagte Grace, dann erinnerte sie sich daran, einen flüchtigen Knicks zu machen.
    Kyrene lächelte und neigte den Kopf.
    Grace hatte die Gräfin schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Kyrene außer Kontrolle und zerzaust ausgesehen, halb von Sinnen darüber, daß sie Königin Ivalaines Gunst verloren hatte. Jetzt sah Kyrene … anders aus. Ihr Haar glänzte, aber es war dunkler, als Grace in Erinnerung hatte, und zu einem strengen Knoten gebunden. Ihre Haut war so milchweiß wie immer, aber der rosa Farbton, den sie sonst auf ihre Lippen auflegte, war durch ein dunkles Rot ersetzt worden, das an Wein denken ließ. Sogar ihr Kleidungsstil hatte sich geändert. Das tief ausgeschnittene Gewand, das sie für gewöhnlich trug, war verschwunden. Statt dessen trug sie ein sich eng an den Körper schmiegendes Kleid von der gleichen Farbe wie ihre Lippen, dessen hoher Kragen eng von einer Spange aus Muscheln und Jade verschlossen wurde.
    »Seid Ihr auch gekommen, um Euch bei dem Fest zu amüsieren?« fragte Kyrene.
    »Warum sonst?« erwiderte Grace. Sie gab sich alle Mühe, nicht defensiv zu klingen, aber ihr war klar, daß es ihr nicht gelungen war.
    Kyrene lächelte wieder. Ihre smaragdgrünen Augen waren heller und härter als je zuvor. »Warum Ihr sonst kommen solltet? Vielleicht um sinnlose Zauber zu weben, wie es Hexen nun mal tun.« Sie kam näher. »Sagt mir, Lady Grace, seid Ihr noch immer Ivalaines Spielzeug?«
    Graces Augen wurden schmal. »Wovon redet Ihr, Kyrene?«
    »Keine Sorge, meine Liebe. Ich bin Euch nicht böse wegen dem, was Ihr mir angetan habt. Es war ein Gefallen, heute weiß ich das.« Kyrene glättete ihr Haar. »Ivalaine ist eine Närrin. Sie spielt ihre kleinen Spiele und glaubt, sie sei so wichtig. Aber da gibt es jetzt andere, andere, die viel mächtiger als sie sind.«
    Trotz ihrer Schönheit dünstete Kyrene einen sauren Geruch aus. Grace wurde übel.
    »Ich muß gehen«, sagte sie.
    Kyrene nickte wissend. »Aber natürlich, meine Liebe. Ich übrigens auch. Wir müssen zu unseren Verbündeten stehen. Lebt wohl, Lady Grace.«
    Die Gräfin schenkte Grace noch ein selbstgefälliges Lächeln und tänzelte dann weiter. Grace eilte den Korridor entlang, erleichtert, von ihr wegzukommen. Vielleicht war Kyrene ja tatsächlich verrückt, vielleicht hatte sie auch eine neue Fraktion

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