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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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gefunden, mit der sie sich verbündet hatte. Was davon nun zutraf, Grace war es egal. Sie blieb noch einmal kurz stehen, sammelte ihre Gedanken und betrat den Großen Saal von Calavere.
    »Lady Grace?«
    Sie blinzelte. Jemand zupfte an ihrem Ärmel. Ein Page stand neben ihr.
    »Hier entlang, Lady Grace.«
    Sie nickte wortlos und ließ sich zu den aufgebockten Tischen führen, an denen die Adligen saßen. Wieder einmal war der Schloßsaal so dekoriert worden, daß er einem Wald ähnelte, und einen kurzen Augenblick lang verspürte Grace dieselbe Desorientierung, unter der sie in Trifkins Gemach gelitten hatte. Es hatte den Anschein, als betrete sie tatsächlich eine von Nebelschwaden durchzogene Waldlichtung. Doch das war in Wirklichkeit nur eine vom Qualm der Fackeln erzeugte Sinnestäuschung. Die schwarzen Deckenbalken waren mit Tannenzweigen verkleidet, in den Ecken standen blattlose Schößlinge, die an schüchterne, schlanke Damen erinnerten, die darauf warteten, zum Tanz aufgefordert zu werden.
    Grace nahm an, an einem der unteren Tische hingesetzt zu werden, aber statt dessen führte der Page sie zu dem Podium am Kopf des Großen Saals. Sie würde an der Hohen Tafel sitzen. Das war Glück. Von dort oben würde sie eine viel bessere Sicht haben, und es war unumgänglich, daß sie den ganzen Saal im Auge hatte. Falls ihr Plan wie gedacht funktionierte und sich der Mörder im Saal befand, würden sie und Travis ihn entdecken.
    Sie nickte König Kylar im Vorbeigehen zu, dann König Boreas, der ihren Gruß nur flüchtig erwiderte, bevor er seinen düsteren Blick wieder dem Saal zuwandte. Es sah nicht so aus, als würde der König von Calavan sein eigenes Fest genießen. Der Page geleitete sie zu dem freien Platz an der Hohen Tafel, und ihr stockte der Atem. Sie hatte heute abend doppeltes Glück.
    »Guten Abend, Lady Grace«, sagte Logren mit einem breiten Lächeln.
    Er erhob sich, während sie Platz nahm, und setzte sich dann wieder.
    »Einen guten Abend, Mylord«, erwiderte sie. Es war ihr zuvor gar nicht aufgefallen, aber eigentlich war es im Großen Saal viel zu warm und ihr Gewand zu beengend.
    »Ihr seht wunderschön aus, Mylady.« Er sagte es bewußt leise, nur für sie bestimmt.
    Ihr auch, Mylord, wollte sie sagen. Er trug Perlgrau, wie an dem Abend, an dem sie ihn kennengelernt hatte. Sie trank seine Gesichtszüge wie Wein. Warum war sie bei ihrer letzten Begegnung nur vor ihm weggelaufen? Er mußte sie für eine Närrin gehalten haben.
    »Vielen Dank, Mylord«, sagte sie, als sie erkannte, daß er auf eine Antwort wartete.
    »Ich habe die Augen offen gehalten, Mylady, wie Ihr es gewünscht hattet.« Seine Stimme klang ungezwungen, er hätte genausogut über Vogelbeobachtung im Garten sprechen können, aber er nickte ihr auf verschwörerische Weise zu. »Ich fürchte, mir ist nichts von dem aufgefallen, wovon Ihr gesprochen habt.«
    Ja, er beherrschte dieses Spiel ausgesprochen gut. »Das macht nichts, Mylord. Ich bin Euch dankbar für Eure Hilfe.«
    »Stets zu Diensten, Mylady.«
    Ein aufgeregtes Kribbeln durchfuhr Grace, unwillkürlich mußte sie lächeln. Er war intelligent, freundlich und attraktiv. Wenn nicht er, wer dann? Kyrene hatte ihre neuen Freunde – Logren war dem Netz der Gräfin entronnen. Vielleicht konnte sie einen neuen Versuch starten, diesmal aber ohne jeden Gedanken an Zauberei und dergleichen. Sie erinnerte sich an die sanfte Berührung seiner Lippen bei seinem Kuß. Vielleicht brauchte sie ja gar keine Magie, um Logren einzufangen. Vielleicht war er ja bereits …
    »Etwas zu trinken, Mylady?«
    Beinahe hätte sie gelacht. Genau das waren die ersten Worte gewesen, die er je zu ihr gesagt hatte, an jenem Abend im Großen Saal, als das alles noch so neu für sie gewesen war, als sie voller Angst vor den Adligen geflohen und er zur Stelle gewesen war, um ihr beizustehen.
    »Ja«, sagte sie. »Das wäre wunderbar.«
    Er nahm eine Karaffe mit Wein und füllte einen Pokal. Wärme erfüllte sie, die einen neuen Entschluß mitbrachte. Natürlich, es war so … richtig. Wieso hatte sie es bis jetzt nur nicht erkennen können? Sie würde Logren alles erzählen, jetzt sofort, auf der Stelle; ihren Plan, den Mörder auf dem Fest zu entlarven. Sie konnte seinen Verstand und sein scharfes Auge zu denen der anderen hinzufügen. Hätten sie und die anderen einen besseren Verbündeten finden können?
    Sie beugte sich zu ihm herüber. »Lord Logren, da gibt es etwas, das ich Euch sagen

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