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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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der tarrasische Hauptmann Calavus – der in seinem ganzen Leben keinen Fuß in die große Stadt Tarras gesetzt hatte – stellte sich ihnen entgegen, doch nicht mit Schwertern, sondern mit Weinschläuchen und gebratenem Fleisch. Er schmiedete einen Pakt mit den Barbaren, sie knieten vor ihm als ihr Führer nieder, und das war die Geburtsstunde Calavans.
    Grace legte das Buch zur Seite und betrachtete wieder die zu Eis erstarrte Welt außerhalb des Fensters. Seit jenem Winter vor fünfhundert Jahren war der Dimduorn kein einziges Mal wieder zugefroren. Wie sie gehört hatte, waren einige der Schloßbewohner der Ansicht, er würde in der kommenden Nacht zufrieren.
    Mittags brachte ihr eine Dienerin ein Tablett mit ihrem Essen. Sie aß, dann verbrachte sie den Nachmittag mit ihrer Stickarbeit. Aryn hatte gesagt, in den Domänen könnten alle Frauen von adliger Geburt sticken. Grace hatte geglaubt, gut darin zu sein – schließlich hatte sie in der Notaufnahme genügend Wunden genäht. Doch es stellte sich heraus, daß sie darin gräßlich schlecht war. Ganz egal, auf welchem Daumen sie den Fingerhut trug, sie schien sich immer in den anderen zu stechen, und was Blumen und Eicheln darstellen sollte, ähnelte eher etwas, das sie in einer Petrischale gezüchtet hätte.
    Als das Tageslicht verblaßte, blickte sie mit steifem Nacken auf. Es war fast soweit. Sie legte die Stickerei weg, erhob sich, zog ein anderes Gewand an – das in der Farbe frostbestäubter Winterveilchen, ihr Lieblingsgewand – und bürstete ihr Haar, bis es wie die letzten Sonnenstrahlen leuchtete, die die Turmspitzen des Schlosses vergoldeten. Sie legte die Bürste auf der Kommode ab, drehte sich um und wandte sich der Tür zu. Draußen schlichen Schatten über den Schnee – eine dunklere Farbschattierung als die ihres Gewandes.
    »Dann wollen wir mal, Frau Doktor«, murmelte sie.
    Grace öffnete die Tür, verließ das Gemach und brach auf, um den Mörder zu fangen, der frei im Schloß herumlief.
    Während der beiden vergangenen Tage hatte der Kreis des Schwarzen Dolches seinen Plan, den Verschwörer bei der Wintersonnenwendfeier zu entlarven, noch weiter ausgefeilt, allerdings hatten sie niemanden – nicht einmal Falken oder Melia – über ihr Vorhaben informiert.
    Nach der Begegnung mit Trifkin Moosbere waren Grace und Travis augenblicklich zu dem Barden und der Lady geeilt, um ihnen das zerbrochene Siegel des Runentors zu zeigen. Falken hatte einen Fluch ausgestoßen und sie dann gefragt, wo sie es her hatten, und sie hatten ihm von ihrem Treffen mit Trifkin erzählt.
    »Sieht so aus, als hättest du von Anfang an recht gehabt, Travis«, sagte Falken, als er schließlich die Scheibe wieder in ihr Tuch wickelte.
    Melia hob fragend eine Braue.
    »Travis sah sie in König Kels Festung«, erklärte der Barde. »Trifkin und seine Schauspieler, meine ich. Er hat mir erzählt, etwas an ihnen sei merkwürdig, aber ich war der Ansicht, er hätte nur zuviel Bier getrunken.«
    Melia stützte ihr Kinn auf den Rücken einer schlanken Hand. »Travis ist ein aufmerksamer Beobachter. Das sollten wir lieber nicht vergessen.«
    Falken grunzte nur.
    Diese neue Enthüllung hatte den Barden nur noch mehr in seinem Entschluß bestärkt, mit den Königen und Königinnen über die Gefahr zu sprechen, denen die Domänen gegenüberstanden, sie zum Handeln zu überzeugen, und er wollte die zerbrochene Rune Gelth als weiteren Beweis vorlegen. Grace hatte ihm nicht widersprochen. Doch etwas hatte ihr gesagt, daß es mehr als ein paar zerbrochener Steine und alter Geschichten brauchen würde, um die Ansichten der Herrscher zu ändern, die nicht an den Fahlen König glaubten.
    Sie und Travis hatten einen Blick gewechselt, und ihr war sofort klargewesen, daß sie übereinstimmten – sie hatten ihren Plan für den Wintersonnenwendabend mit keinem Wort erwähnt.
    Grace blieb vor einer Tür stehen und wollte anklopfen, aber sie schwang auf, bevor ihre Finger gegen das Holz pochten. Vor ihr stand Durge.
    »Die anderen sind bereits alle da, Mylady.«
    Sie nickte und trat ein, und der dunkelhaarige Ritter schloß hinter ihr die Tür. Travis, Aryn und Beltan nickten ihr zur Begrüßung zu.
    Grace war noch nie zuvor in Durges Gemach gewesen. Sie hatte nicht mit dem gerechnet, was sie zu sehen bekam. Der Raum war klein und hatte als Fenster lediglich einen schmalen Schlitz. Er wurde nicht durch einen Kamin beheizt, sondern mit einer kleinen Kohlenpfanne, die die Luft

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