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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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angesetzt. Aus dem Schnitt am Hals, aus Augen und Ohren sowie der verheerenden Wunde in seiner Brust quoll schwarzes Blut.
    Boreas starrte ihn an; sein Gesicht war vor Entsetzen aschfahl. »Lady Grace, was habt Ihr getan?«
    »Ich habe den Mörder Eures Seneschalls gefunden, Euer Majestät.« Ihre Stimme hallte durch den Saal. »Ihr kennt die Legende, nicht wahr? Daß in der dunkelsten Nacht eines Jahres ein Toter über die Macht verfügt, seinen Mörder anzuklagen?«
    Grace war sich nicht sicher, woher sie das wußte. Sie wußte nur, daß Trifkin Moosbere in dem seltsamen Waldgemach dieses Wissen an sie übermittelt hatte. Es handelte sich um eine uralte, urtümliche Magie, viel älter noch als die Hexen oder die Runensprecher. So alt wie der Dämmerwald. Am Abend der Wintersonnenwende würde eine Leiche in Gegenwart ihres Mörders bluten.
    Logren trat vom Tisch zurück. »Das ist Wahnsinn! Die Lüge einer Hexe!«
    »Das ist keine Lüge«, sagte Grace.
    Sie erwiderte seinen Blick. Einen Augenblick lang hielt sein verwirrter Ausdruck noch an, dann zerbröckelte er wie eine Maske. In seinem Blick leuchtete das Böse auf, in seiner ganzen Reinheit, ohne zu schwanken. Ja, jetzt wußte er Bescheid, das konnte sie sehen. Er brauchte es nicht länger vor ihr zu verstecken.
    »Sie werden es Euch niemals glauben«, sagte er in einem Tonfall, der giftiger war, als ein Gift jemals hätte sein können.
    Sie gab ihm ihre Antwort mit kühler Präzision, eine Ärztin, die ihre Diagnose stellte. »Ich glaube, da irrt Ihr Euch, Mylord.«
    Wütende Rufe ertönten aus der Menge. Boreas starrte Logren mit zornrotem Gesicht an. Eminda erhob sich von ihrem Stuhl.
    »Logren, Ihr seid ein Narr!« sagte sie hart. »Was habt Ihr getan? Mit diesem Wahnsinn habt Ihr alles verdorben. Ihr werdet Euch auf der Stelle von dieser Tafel hier entfernen!«
    Logren zögerte. Er starrte die Menge finster an, dann Grace und schließlich Königin Eminda. Ein furchteinflößendes Grinsen trat in sein Gesicht und merzte jede noch so kleine Spur der Schönheit aus, die dort einst ihren Sitz gehabt hatte.
    »Ihr geht nirgendwohin, Eminda«, sagte er. »Keiner von euch!«
    Die Bewegung erfolgte so schnell, daß sie keiner hätte verhindern können. Logren riß das Tafelmesser aus dem Gürtel und machte eine schnippende Handbewegung. Eminda taumelte mit weit aufgerissenen Augen zurück. Sie griff sich an den Hals und berührte das Messer, das dort herausragte. Dann sackte sie gegen König Boreas.
    Bevor die anderen reagieren konnten, hob Logren beide Arme. »Jetzt, meine wilden Bestien!« rief er mit schrecklicher Stimme. »Kommt zu mir!«
    Sie gehorchten. Sie schlängelten sich durch die hohen Fenster und krabbelten die Wände hinunter. Feydrim. Der Große Saal verwandelte sich in ein Meer aus Angst und Panik.
    Logren richtete seinen leblosen Blick auf Grace. »Ihr habt verloren, Euer Durchlaucht.«
    Grace antwortete ihm nicht. Sie konnte bloß die Feydrim anstarren, die in den Großen Saal strömten.

41
    Travis drückte sich mit dem Rücken an die Wand und blickte in das stetig heller werdende Licht. Das metallische Summen ließ seinen Körper vibrieren wie einen Draht.
    Er hielt die Schatulle aus Eisen durch den Stoff seines Wamses umklammert. Das war es, was ihn verraten hatte, was sie zu ihm geführt hatte. Er hätte sie wegwerfen oder irgendwo im Boden verscharren, sie viele Meilen von hier entfernt einfach verlieren sollen. Aber obwohl er das dachte, wußte er doch genau, daß er so etwas niemals übers Herz gebracht hätte. Jack hatte ihm die Schatulle anvertraut, und er hatte ihm ein Versprechen gegeben. Es war seine Last, die er tragen mußte. Und in einem Moment würde alles vorbei sein.
    Das Licht gewann noch an Stärke, und er hob eine Hand, um seine Augen zu beschatten. Die Helligkeit strömte durch seine Finger, als stellte das Fleisch kein Hindernis dar. Einen kurzen Augenblick lang dachte er an Grace und die anderen. Er hoffte, daß es ihnen allen gutging, und es tat ihm leid, daß er sie nie wiedersehen würde, daß er sich niemals von ihnen würde verabschieden können. Dann flohen seine Gedanken und ließen nur noch blankes Entsetzen zurück, als sie in der Mitte des Lichtscheins auftauchten, hochgewachsen, spindeldürr und böse.
    »Jack, ich habe Angst«, flüsterte er.
    Die Phantomschatten hoben die dünnen Arme und kamen auf ihn zu. Er konnte nicht einmal feststellen, wie viele es waren. Er sah bloß silberne Haut, mundlose Gesichter und

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