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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ich Euch kennengelernt habe, hoffe ich von ganzem Herzen, daß Ihr und ich …«
    Fanfarenschall hallte von den Wänden wider. Grace riß die Hand zurück und drehte den Kopf. König Boreas hatte sich von seinem Platz erhoben, und alle Anwesenden an der Hohen Tafel und im Saal verstummten und richteten die Aufmerksamkeit auf ihn.
    »Willkommen an meinem Tisch«, begann der König von Calavan. »Willkommen in dieser längsten Nacht des Jahres. Heute abend sind wir zusammengekommen, um uns zu vergnügen, um das Ewige Scheit zu entzünden und die Sonne zurückzurufen. Heute abend feiern wir den Tod des Winters und freuen uns auf die Ankunft des Frühlings.« In seiner grollenden Stimme lag ein tiefer Ernst. »Das heißt, falls der Frühling kommt.«
    Ein Murmeln ging durch den Saal. Der König fuhr fort.
    »Während die Wintersonnenwende auf uns zukommt, kommt auf die Domänen ihre eigene dunkelste Nacht zu. Und wir alle müssen uns fragen, was muß jeder einzelne von uns tun, damit wir die Dämmerung jemals wieder erblicken können.«
    Die Könige und Königinnen an der Hohen Tafel rutschten bei seiner Ansprache unruhig auf ihren Sitzen umher. Eminda runzelte sogar unverblümt die Stirn. Selbst Grace fand Boreas Ansprache eigenartig. Worauf wollte er hinaus?
    »Einen Trinkspruch«, sagte Boreas. Er hob seinen Pokal, und alle Anwesenden folgten seinem Beispiel, offensichtlich froh darüber, etwas tun zu können, was einen Sinn ergab. »Mögen wir alle diese Nacht gemeinsam durchschreiten und wie ein Mann den Morgen willkommen heißen!«
    Rufe wie Hört! Hört! ertönten, aber es gab auch eine gleich große Anzahl abweichendes Gemurmel. Grace trank einen Schluck Wein, ohne ihn zu schmecken. Die Furcht war verschwunden und von Taubheit ersetzt worden. Der Mörder saß neben ihr, und Boreas’ Worte stießen auf taube Ohren. Die Domänen würden nicht Seite an Seite stehen. Sie würden die Morgendämmerung nicht mehr erleben.
    »Und jetzt, bringt die Schauspieler!« donnerte Boreas.
    Grace erstarrte beim Klang dieser Worte, sie umklammerte den Pokal. Der Plan! In ihrem Schrecken hatte sie ihn total vergessen. Neues Entsetzen durchflutete sie. Sie ließ die Blicke durch den Großen Saal irren, aber es war keine hübsche junge Frau in einem blauen Gewand zu sehen. Wo steckte Aryn? Sie hätte in der Ecke stehen sollen, um auf Graces Signal zu warten, sobald diese sich sicher war. Nur daß Grace die Identität des Mörders bereits kannte – er saß neben ihr, in sein bestes Grau gekleidet –, und von der Baronesse fehlte jede Spur.
    Eine Seitentür öffnete sich, und eine winzige Gestalt sprang heraus, schlug mitten in der Luft einen Purzelbaum und landete von Applaus und entzücktem Raunen begleitet auf dem Podium. Trifkin Moosbere schwenkte seine befiederte Mütze, verbeugte sich und richtete sich mit einem Lächeln auf dem breiten Engelsgesicht wieder auf. Er breitete die kleinen Hände aus und sprach mit seiner Fistelstimme.
    »Der alte Winter stirbt heut nacht
Ihr Anwesenden hier, gebt gut acht,
Während wir unser fröhlich’ Spiel präsentieren,
wird ein jeder von euch eine Rolle spielen.
    Laßt euch nicht verblüffen, horcht und gebt acht,
Wir haben eine Bitte mitgebracht …
Während wir beschreiten unseren Weg diese Nacht,
sollt ihr des Winters Grabrede halten, voller Pracht.
    Seid unerschrocken, laßt eure Phantasie walten,
Sagt sie leise zum Winter, dem Alten,
Und legt eure Hand auf seine Brust, nur nicht verzagen,
wenn wir den Winter zu Grabe tragen.«
    Trifkin sprang beiseite, und das Schauspiel nahm seinen Anfang. Trotz ihres Entsetzens konnte Grace den Blick nicht von den Schauspielern wenden, so gebannt war sie von ihrem Zauber.
    Baumfrauen rannten auf das Podium und standen dann in ihren rindenbraunen Gewändern stocksteif da und hoben die wie Zweige aussehenden Arme, um einen entblätterten Wald darzustellen. Der Winter wandelte zwischen ihnen mit seinem weißen Bart und dem langen Gewand. Er bewarf die Baumfrauen mit schneeweißen Blüten und kicherte, wenn die eiskalte Berührung sie erzittern ließ. Er hob die knochigen Hände, und von den Dachbalken regneten Blüten in die Tiefe, die schattenhafte Gestalten aus Körben schüttelten. Sein eisiges Gelächter ließ die Luft erstarren …
     … und erstarb, als ein Dutzend Ziegenmänner mit nackten Oberkörpern, haarigen Hosen und auf die Stirnen gebundenen Hörnern auf das Podium sprangen. Jeder von ihnen hielt einen Stock in der Hand, und als sie

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