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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Klingenheilerin, bis du lernst, deinem Herzen zu folgen.
    Furcht kristallisierte sich in Graces Innerem. Narbe oder nicht, ein Magnet konnte nicht lügen. Sie hätte geschrien, aber in einem Vakuum wurde ein Geräusch nicht weitergeleitet, oder? Im Weltraum würde die Haut zu Eis erstarren, während einem das Blut in den Adern kochte. Feuer und Eis, und dann nichts mehr, für alle Ewigkeit. Die süße, gesegnete Ewigkeit …
    »Lady Grace?«
    Die Stille zersplitterte, der Talisman schrumpfte, und der Lärm des Großen Saales schlug wie eine Welle über ihr zusammen.
    Graces Finger berührten noch immer den Pokal, den er ihr entgegenhielt, und der magnetische Talisman des Armreifs zeigte noch immer direkt auf seine Brust. Ihre Gedanken wanden sich voller Panik. Wie lange war sie so erstarrt gewesen? Bestimmt wußte er Bescheid, bestimmt las er das Entsetzen in ihren Augen und erkannte, was es bedeutete. Jede Sekunde würde er den Pokal zur Seite schleudern, seine unnatürlich starken Hände um ihren Hals legen und das Leben aus ihr herauswürgen.
    Nein, der Ausdruck auf seinem Gesicht – diesem außerordentlich attraktiven Gesicht – verriet nur Belustigung. Er hob eine Braue.
    Tu was, Grace. Du mußt was tun.
    Ihre Finger schlossen sich um den Pokal. Er lächelte und ließ los. Sie führte den Pokal mit beiden Händen zum Mund und ließ die Flüssigkeit ihre Lippen berühren, aber sie trank nicht, denn sie wagte es nicht aus Angst, sich zu verschlucken. Dann stellte sie den Pokal ab, und irgendwie schaffte sie das, bevor er ihr aus den Händen glitt.
    Wie sollte es weitergehen?
    »Ein guter Jahrgang, findet Ihr nicht?« sagte Logren. »Dieser Wein kommt aus den Flußländern des westlichen Eredane. Meine Königin brachte fünf Fässer davon mit.« Der Berater hob den Pokal und trank einen Schluck. Er tat es so unbeschwert, so lässig. Unvorstellbar, daß in ihm das absolute Böse lauerte. Nein – es war nicht unvorstellbar.
    »Und was wolltet Ihr mir nun sagen, Mylady? Ich warte.«
    Sie befeuchtete sich die Lippen. Was sollte sie ihm sagen? Wenn sie den Mund öffnete, würde sie mit Sicherheit schreien. Dann ertönte eine Stimme, und es hörte sich an, als würde eine andere Person als sie dort sprechen.
    »Daß es mir leid tut, Mylord. Schrecklich leid. Das wollte ich Euch sagen. Es war falsch von mir, vor Euch wegzulaufen, letztens in Eurem Gemach.«
    Grace sog zischend Luft ein. Wo waren denn diese Worte hergekommen? Sie vermochte es nicht zu sagen, aber dem Leuchten in seinen Augen nach zu urteilen, war es genau richtig gewesen, ihm das zu sagen, und ihre von der Furcht verursachte Atemlosigkeit verlieh ihren Worten eine Ernsthaftigkeit, die sie nur noch glaubhafter machte. Sie sah zu, wie ihre Hand über den Tisch glitt, als gehörte sie einer anderen Person und wäre kein Teil von ihr. Sie berührte ihn. Er schaute zu ihr hoch, und sein Lächeln wurde noch breiter. Grace hätte sich am liebsten übergeben, aber sie zwang sich, das Lächeln zu erwidern.
    Sie hatte sich für eine so gute Spionin gehalten, für so logisch, so wissenschaftlich. Jetzt wußte sie, wie lächerlich dieser Glaube war. Die ganze Zeit war sie der Überzeugung gewesen, Kyrene hätte Logren in ihr Hexennetz eingesponnen, und sie hatte geglaubt, es ihr gleichzutun. Jetzt kannte sie die Wahrheit. Nicht Kyrene hatte Logren eingefangen, das Gegenteil traf zu. Grace erinnerte sich an ihre Begegnung mit Kyrene vor dem Fest, und sie sah wieder die neue, strenge Schönheit der Gräfin vor ihrem inneren Auge.
    Was hast du getan, Kyrene? Was hast du nur getan?
    Grace kannte die Antwort – sie kannte den einzigen Grund, warum die Gräfin ihre alten, freizügigen Gewänder gegen eines mit einem hochgeschlossenen Kragen eintauschen würde, das so dunkel wie Blut war.
    Logren fixierte sie mit seinem Blick. »Ich kann Euch nicht sagen, wie froh ich bin, diese Worte zu hören, Mylady.«
    Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, das allein für sie bestimmt war. Sie versteifte sich. Wo hatte sie eine ähnliche Stimme schon gehört?
    Jetzt scher dich zurück zum Schloß und bring zu Ende was wir begonnen haben …
    Neun dunkle Umrisse warfen Schatten auf ihre Gedanken. Der Kreis aus Steinen. Ja, da hatte sie diese Worte gehört. Damals hatte er geflüstert, um sich zu verstellen. Jetzt sollte es dazu dienen, sie in seine geheime Welt zu locken. Aber es war dieselbe Stimme – derselbe Mann.
    »Ihr müßt wissen, Lady Grace, seit dem Tag, an dem

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