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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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blattlos im Winter.
    »Berührt sie, Grace. Tut es …«
    Nein, es war unmöglich. Oder doch nicht? Da war dieser Tag in ihrem Gemach gewesen, der Tag, an dem sie Kyrene kennengelernt hatte. Sie erinnerte sich wieder. Es hatte sich angefühlt, als wäre etwas – jemand – nahe an sie herangetreten, zu nahe, nur diesmal stieß sie nicht weg, sondern griff zu.
    In ihrem Bewußtsein war es dunkel, sie fühlte nur Kälte.
    »Tut es, Schwester.« Die Stimme war ein Eiszapfen in ihrem Gehirn. Sie haßte sie, wollte, daß sie verschwand. »Greift danach.«
    Sie konnte es nicht tun, ihr ganzes Wesen war spröde und zerbrechlich, sie würde hier erfrieren, hier im Garten. Sie streckte sich, sandte ihr Bewußtsein weit aus, aber da war nichts, was man berühren konnte. Dort gab es nur Eis und Schwärze und …
     … und Wärme. Grüne, goldene Wärme. Sie fuhr die Oberfläche von Graces Bewußtsein entlang, flammte auf wie eine Kerze in einem dunklen Raum und war wieder verschwunden. Verzweifelt tastete Grace mit ihrem Bewußtsein ein Stück zurück. Dort … dort war es, ein Leuchtfeuer im leblosen Schlamm. Es war so schön, so sanft und hell. Wie hatte sie es zuvor nur verfehlen können? Sie lächelte, und alles schien plötzlich so einfach zu sein.
    Grace griff zu und berührte das Licht.
    Sie riß die Augen auf. Die Luft im Garten war noch immer eiskalt, das fühlte sie, aber sie selbst war warm – wunderbar, köstlich warm. Die Wärme strömte wie die milde Brise eines Sommerwaldes über ihren Körper und durch ihn hindurch, bis ihre Haut glühte. Sie holte tief Luft und roch das Grün.
    »Ja, das ist es, meine Liebe«, schnurrte ihr eine triumphierende Stimme ins Ohr. »Ich wußte, daß Ihr die Kraft habt.«
    »Aber was ist das?« Noch nie zuvor hatte sich Grace so sehr wie ein Teil von etwas anderem gefühlt.
    »Das ist die Weltenkraft.«
    Kyrene stand vor ihr. Grace hatte nicht bemerkt, daß die Gräfin Pelzumhang und Gewand abgestreift hatte, aber sie stand nun nackt da, die Haut vor Wärme gerötet.
    »Die Weltenkraft?«
    »Das ist die Macht, die allen lebenden Dingen innewohnt. Sie ist im Immergrün, in den Hecken, in dem Moos zwischen den Steinen. Sie ruht in allem, was lebt, und sie fließt in einem unvorstellbar großen Netz, das alles miteinander verbindet.«
    Grace schloß wieder die Augen. »Ja, ich kann es fühlen. Das Immergrün. Und den hohen Baum am Rande der Grotte – seine Blätter sind abgefallen, aber ich kann sehen, wie sich das Leben noch immer in ihm bewegt. Und da! Da verbirgt sich eine Maus hinter den Steinen und beobachtet uns. Ich habe noch nie … ich habe noch niemals so etwas gefühlt.«
    »Ich glaube, das habt Ihr doch, Lady Grace. Seid Ihr keine Heilerin?«
    Grace wollte den Kopf schütteln, aber sie wußte, daß in Kyrenes Worten eine gewisse Wahrheit lag.
    Die Gräfin griff in ihr am Boden liegendes Gewand und zog einen kleinen Tontiegel hervor. Er enthielt mit Duftkräutern versehenes Öl. Sie rieb Graces Körper mit dem Öl ein. Zuerst versteifte sich Grace – es war so lange her, daß sie es zugelassen hatte, daß jemand anders sie berührte – aber die Finger der Gräfin waren geschickt und beruhigend. Sie entspannte sich, und Wärme hüllte sie in einem goldenen Schimmer ein. Sie wußte nun, wieso die beiden trotz der Kälte und ihrer nackten Haut nicht in der Grotte gefroren hatten.
    »Ja, Ihr habt es schon zuvor gespürt, Schwester. Das bedeutet es, eine Hexe zu sein – die Gabe zu haben, die Weltenkraft zu fühlen, sie berühren zu können und sie zu formen.« Kyrenes Worte wurden zu einem leisen Summen. »Hört mir zu, Schwester. Einst waren wir alte Vetteln: Kräuterweiblein und Wahnsinnige. Wir waren häßlich, und man verachtete uns. Die Leute warfen Steine nach uns und verbrannten uns auf dem Scheiterhaufen. Aber jetzt … seht, was wir jetzt sind, Schwester.«
    Kyrene zeigte auf eine Pfütze am Boden, Schnee, den die aus ihnen entströmende Hitze geschmolzen hatte. Zwei Frauen blickten aus dem silbrigen Wasser empor, nackt und schön; Augen leuchteten smaragd- und jadegrün. Sie waren ätherische Wesen – Wesen der Macht.
    »Ja, sieh uns an, Schwester«, flüsterte Kyrene überschwenglich. »Wir sind keine alten Weiber mehr. Nun sind wir Frauen von hoher Stellung und Macht – wunderschön, strahlend und stark!«
    Grace holte erschaudernd Luft. Die Bäume, die Schlingpflanzen, das Moos. Wie taub und tot mußte ihre bisherige Existenz doch gewesen sein,

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