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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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jenem Tag nach der Abstimmung gesprochen und danach nicht wieder.
    Der Schein trog.
    »Was habt Ihr mir zu berichten, Mylady?«
    Grace neigte nicht zu hysterischem Aufschreien, doch als der König von Calavan plötzlich aus einem Alkoven trat und ihr den Weg verstellte, konnte auch sie sich einen leisen Schrei nicht verkneifen.
    Boreas zeigte seine spitzen Zähne in einem Ausdruck, der nur annähernd einem Lächeln glich.
    Sie zwang sich, nicht mehr zu zittern. »Guten Morgen, Euer Majestät«, sagte sie.
    Boreas ging um sie herum. Er war wie üblich in Schwarz gekleidet, unter dem enganliegenden Stoff zeichneten sich die Muskeln ab. Grace biß sich so fest auf die Zunge, daß sie Blut schmecken konnte. In diesem Augenblick haßte sie ihn dafür, daß er so mächtig war, so stark und männlich und attraktiv. Wie hätte irgend jemand diesem Mann etwas abschlagen können?
    Aber, verdammt noch mal, es ist so ungerecht. Warum sind nur Männer immer so mächtig? Aber stimmte das denn wirklich? Sie erinnerte sich an den durchdringenden grünen Geruch des winterlichen Gartens. Neben brutaler Kraft gab es noch andere Arten der Macht.
    Sie nahm die Schultern nach hinten und erwiderte den Blick aus Boreas’ scharf blickenden blauen Augen. »Es tut mir sehr leid, Euer Majestät, aber ich habe Euch bereits alles mitgeteilt, was ich herausfinden konnte.«
    »Das genügt nicht, Mylady.« Die Bemerkung schien nicht ärgerlich oder spöttisch gemeint zu sein, sondern einfach nur eine Tatsache darzustellen. »Ich weiß selber, wie der Rat entschieden hat. Hingegen muß ich wissen, wie ich das Ergebnis dieser Abstimmung ändern kann.«
    Grace starrte ihn an. Glaubte er denn wirklich, daß es ihr möglich war, die Meinungen von Königen und Königinnen zu beeinflussen?
    »Ihr seid geschickt, Mylady«, sagte er, noch bevor sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Ich bin mir sicher, daß Ihr etwas herausfinden könnt, das mir helfen kann – Wünsche oder Ängste der anderen Herrscher, die ich zu meinem Vorteil nutzen kann. Der Rat muß sich für die Mobilmachung entscheiden. Tut er das nicht, ist alles verloren.«
    Grace wollte erwidern, daß es unmöglich sei, und daß sie, wenn sie noch mit einem einzigen Adligen Heucheleien und Mehrdeutigkeiten austauschen mußte, wie eine Wahnsinnige schreiend auf den Burghof laufen würde. Statt dessen neigte sie den Kopf und murmelte: »Gewiß, Euer Majestät. Ich werde mein Bestes tun.«
    Er verabschiedete sich lediglich mit einem Nicken und ging den Gang hinunter. Sie trat leicht benommen an ein schmales Fenster. Sie stieß die Läden auf, atmete tief durch und ließ die kalte Luft ihren Kopf freimachen. Unten marschierte ein Dutzend Wächter durch das Tor zum Unteren Burghof. Die letzten Sonnenstrahlen glitzerten blutrot auf ihren präsentierten Hellebarden.
    Grace griff in die Tasche und nahm den Holzstier heraus, den sie auf dem Hof gefunden hatte – das Symbol des Kultes von Vathris, dem Boreas angehörte. Sie strich mit dem Finger über das Nadelschwert, das im Hals des Stiers steckte.
    »Kennt Ihr die Geschichte von Vathris?« fragte eine tiefe Stimme hinter ihr.
    Grace drehte sich überrascht um und mußte dann trotz ihrer Sorgen lächeln. »Durge. Mir kommt es vor, als hätte ich Euch schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
    Das wettergegerbte Gesicht des Embarraners war so unbewegt wie immer. »Ich bin immer da, Mylady.«
    Er deutete auf die Figur in ihrer Hand. »Es ist eine sehr alte Geschichte. Die Legenden besagen, daß Vathris der König eines ausgetrockneten und sterbenden Landes im tiefen Süden war, jenseits des Sommermeers. Um sein Reich zu retten, machte er sich auf die Suche nach einem magischen Stier, und als er das Tier gefunden hatte, erschlug er es. Das Blut des Stiers wurde zu einem weiten Fluß, der das Land überflutete und wiederbelebte.«
    Diese Worte schnürten Graces Kehle zu. War es das, was Boreas wollte? Durch die Domänen reiten und einen neuen roten Fluß fließen lassen, so wie sein Gott es vor vielen Jahrtausenden getan hatte? Doch Vathris’ Tat, so gewalttätig sie auch gewesen sein mochte, hatte das Land gerettet. Sie steckte den Stier zurück in die Tasche.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Durge.«
    Der Ritter strich sich über den Sichelbart. »Was möchtet Ihr denn tun, Mylady?«
    »Ich will wissen, was wirklich los ist, Durge, welche Gefahr den Domänen wirklich droht, und was man am besten dagegen tun kann. Das will ich herausfinden, damit

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