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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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denn in diesem Augenblick fühlte sich Grace wirklich lebendig – zum ersten Mal in ihrem Leben.
    »Mehr«, sagte sie. »Ich will mehr fühlen.« Sie schloß die Augen, fing an, weiter, tiefer hinauszugreifen.
    Kälte fiel wie ein schwarzer Vorhang um sie herum und sperrte die goldene Wärme aus; sie riß die Augen auf. In einem Herzschlag war das Zauberwesen verschwunden und sie wieder nur Grace, nackt, knochig und am ganzen Leib zitternd.
    Kyrenes Blick war berechnend. »Ich glaube, für heute reicht es, Schwester. Es zahlt sich nicht aus, zuviel zu früh zu trinken.«
    Graces Zähne schlugen vor Kälte so heftig aufeinander, daß sie beinahe abgebrochen wären. Das hat dir Spaß gemacht, nicht wahr, Kyrene? Mir etwas zu geben, um es mir dann zu nehmen.
    Doch sie sagte nichts. Sie schlüpfte in ihr Gewand, um sich vor der Kälte zu schützen, und ließ Kyrene und den Garten hinter sich, um wieder in die kalten, leblosen Steinwände des Schlosses einzutauchen.

16
    An einem kalten Nachmittag, zwei Tage nachdem er sich mit Grace die Tür angesehen hatte, hörte Travis von den Tarnwörtern.
    »Runen zu sprechen ist immer gefährlich«, sagte Jemis.
    Vor dem schmalen Fenster des Turms fiel weicher Schnee. Die Tauben drängten sich um Wärme bemüht auf den Dachsparren des zugigen Turms. Travis und die beiden Runensprecher taten es ihnen vor der Kohlenpfanne gleich.
    Rin fuhr fort. »Selbst wenn du den Namen einer Rune nur flüsterst, bist du nicht vorsichtig, beschwörst du unter Umständen einen Teil ihrer Macht herauf. Aus diesem Grund benutzen wir Wortbilder, um über Runen zu sprechen.«
    Travis zog den Nebelmantel enger. »Wortbilder?«
    Rin zeigte auf eine der Runen auf Travis’ Tafel. Sindar. Silber. »Das ist Ysanis Träne.« Er zeigte auf eine andere Rune. Es war Fal. Berg. »Und das ist Durnachs Knochen.«
    Ysani. Durnach. Travis erkannte die Namen wieder; sie stammten aus Jemis’ Geschichten über die Schöpfung Eldhs. Das waren Alte Götter, so wie Olrig Einhand. Er verstand. Warum nicht in einem Code über Runen sprechen? Auf diese Weise bestand keine Gefahr, ihre Macht heraufzubeschwören, man konnte keine andere Person verletzen.
    »Erzählt mir mehr.«
    Sharn, die Rune des Wassers, war Sias Blut, und Kel, die für Gold stand, hieß Fendirs Verderben. Jemis zufolge war Fendir der erste der Dunkelelfen – das waren Angehörige des Feenvolkes, deren Gier nach Gold sie in kleine und häßliche, jedoch durchtriebene und flinkfingrige Kreaturen verwandelte.
    Am darauffolgenden Tag ließ Jemis Travis endlich eine Rune sprechen.
    »Das ist deine erste Rune«, sagte Jemis. Er malte ein Symbol auf seine eigene Tafel und zeigte sie Travis.
    Die kenne ich bereits. Um ein Haar hätte er die Worte laut ausgesprochen, aber er biß sich auf die Zunge. Sorgfältig kopierte er die drei abgeschrägten Linien auf seiner eigenen Tafel. Es war Krond. Das Feuer.
    Travis setzte sich im Hauptgemach des Turms an einen Tisch und starrte eine Kerze an. Er leckte sich über die Lippen, dann sprach er das Wort.
    »Krond.«
    Seine rechte Hand kribbelte, ein grelles Licht blitzte auf, eine Stichflamme schoß aus der Kerzenspitze. Travis sprang vom Tisch zurück.
    »Sharn!« rief Jemis in befehlendem Tonfall, und augenblicklich wurde die Kerze gelöscht.
    Travis holte zischend Luft. Die Kerze war zum Teil geschmolzen und hatte sich verbogen, ein dunkler Ring war in die Tischoberfläche gebrannt.
    Jemis schaute ihn finster an. »Man nimmt kein Schwert, um einen Faden zu schneiden, Lehrling.« Er wandte sich angewidert ab und verschwand – wie immer, wenn er wütend war – in einem der oberen Gemächer des Turms.
    Rin versuchte, die verdrehte Kerze wieder hinzustellen. »Warum arbeiten wir nicht daran?«
    Travis nickte bloß und bemühte sich, nicht an den verrückten Lord in Eredane zu denken.
    Am nächsten Morgen schlug er die Augen auf und starrte in das fahle Licht der Dämmerung, das in das Schlafgemach fiel. Er war nicht mehr auf Falken angewiesen, um geweckt zu werden. Von der anderen Seite des Raumes drang der gleichmäßige Atem des Barden herüber: Er schlief noch.
    Seit dem Beginn seiner Studien hatte Travis kaum ein Wort mit Melia oder Falken gewechselt. Kehrte er nachts ins Gemach zurück, warf er sich für gewöhnlich erschöpft aufs Bett. Darüber hinaus waren der Barde und die Lady mit dem Rat der Könige beschäftigt. Manchmal wachte er spät in der Nacht auf und hörte, wie die beiden sich leise am Kaminfeuer

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