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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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über diesen König oder jene Königin unterhielten, die an diesem Tag dem Rat Bericht erstattet hatten. Er schnappte immer nur Bruchstücke auf …
    … die gräßlichen Wölfe, die aus dem Ödland kommen …
… ist das Fieber, aber es befällt nur Kinder und …
… sehen in den Wäldern um Embarr nur Schatten …
    … die sich in seine seltsamen Träume schlichen.
    Von Beltan sah er noch weniger, und jedesmal wechselte der große Ritter mit gesenktem Kopf und zu Boden gerichtetem Blick in die andere Richtung. Seine düstere Stimmung – die sich am ersten Tag der Ratsversammlung etwas gehoben hatte – war zurückgekehrt, und zwar schlimmer als zuvor.
    Travis schlüpfte aus den Federn und keuchte auf. Der Boden war kalt. Er fuhr in seine Sachen, warf sich den Nebelmantel über die Schultern und schlüpfte lautlos aus der Tür.
    Mittlerweile gefiel ihm diese Stunde des Tages, wenn das ganze Schloß zu schlafen schien. Der Mond verschwand gerade hinter der hohen Mauer des Oberen Burghofs, und sein Licht verlieh den Wehrgängen einen Glanz, der an eine Frostschicht denken ließ. Travis eilte zum Turm der Runensprecher. Da es ihm zu kalt war, um zu klopfen und darauf zu warten, daß Rin herunterkam und öffnete, betrat er den Turm und stieg die Stufen zum Hauptgemach hinauf. Auf der Hälfte blieb er stehen. Von oben hallten Stimmen herunter.
    »… daß wir aufhören sollten.«
    »Das können wir nicht tun, Jemis. Wir haben ihm geschworen, ihn als Lehrling aufzunehmen. Diesen Eid können wir nicht brechen.«
    »Doch, das können wir! Er ist zu alt, er hat keine Kontrolle, er kann kaum lesen. Man kann ihn nicht unterrichten!«
    »Aber wir müssen ihn unterrichten. Jemis, er ist stark, und das wißt Ihr. Stärker als ich. Stärker als Ihr. Bei Olrig, ich frage mich, ob er nicht stärker als Allmeister Oragien selbst ist.«
    Als Antwort ertönte nur ein leises Grunzen.
    Travis wartete nicht ab, bis er noch mehr hörte. Er stolperte die Stufen herunter, hinaus auf den Hof, und atmete die eisige Luft in tiefen Zügen ein.
    Jemis, er ist stark …
    Nein, er wollte diese Macht nicht. Er wollte gar keine Macht. »Warum, Jack?« Die Worte waren mondbeschienene Geister in der eiskalten Luft. »Warum mußte ich es sein?«
    Der Mond versank hinter der Schloßmauer. Die nebelhaften Worte verblaßten und verhallten unbeantwortet. Nach einer Weile drehte er sich um, ging zum Turm und klopfte an die Tür.

17
    Es dauerte mehrere Tage, bis Grace und Travis wieder Gelegenheit fanden, sich auf die Suche nach anderen Türen mit eingeschnitzten Runen zu machen. Mit jedem verstreichenden Tag schien Grace weniger Zeit zu haben. Nicht, daß sie es nicht gewohnt gewesen wäre, viel Arbeit zu haben. In Denver hatte sie eigentlich nur Zeit für das Krankenhaus und Schlaf gehabt. Mehr als nur einmal hatte Leon Arlington ihr nach einer Sechsunddreißig-Stunden-Schicht ein Stethoskop, eine Spritze oder ein Skalpell aus den tauben Fingern winden und sie, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, zum Ärztezimmer führen müssen.
    »Wenn Sie schon nicht nach Hause gehen wollen, dann legen Sie sich wenigstens eine Zeitlang hin«, sagte Leon dann und wehrte ihren Widerspruch mit einer unwirschen Bewegung seiner dunkelhäutigen Hand ab. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Grace. Schlafen Sie jetzt ein bißchen, sonst enden Sie noch in einem meiner Stahlschubfächer und wachen nie wieder auf. Verstanden?«
    Sie legte sich dann immer gehorsam auf das PVC-Sofa und ließ sich von Leon mit einem Laborkittel zudecken. Manchmal schloß sie sogar die Augen und nickte kurz ein. Aber nach vielleicht einer oder höchstens zwei Stunden war sie wieder auf den Beinen und ging über den glatten Linoleumboden der Korridore. Der Schlaf bot ihr keinen Trost, nicht so wie ihre Arbeit, wie die Versorgung von Verletzten.
    Ärztin, heile dich selbst. Leon hatte ihr das einmal gesagt. Aber das war unmöglich, und Leon Arlington war tot und schlief den kalten, stahlumhüllten Schlaf, vor dem er Grace immer gewarnt hatte.
    So anstrengend sie auch gewesen war, die Zeit im Krankenhaus hatte sie nicht auf das Leben auf Calavere vorbereiten können. Noch nie zuvor hatte sie versucht, so viele verschiedene Dinge zu tun, so viele verschiedene Dinge zu sein und sie für so viele verschiedene Menschen zu sein – für lebendige, gesunde Menschen. Nach dem Beginn des Rates hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als hätte König Boreas sie vergessen. Sie hatte ihn an

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