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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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nicht so sehr wie der warme Spuckeregen, der es begleitete. Sie saß in der Schloßbibliothek, einem gemütlichen kleinen Raum mit höchstens fünfzig handgeschriebenen Büchern. Sie bemühte sich immer noch, die Sprache dieser Welt zu lernen, und sie wurde auch besser, aber sie war immer noch weit davon entfernt, auf Bruder Cys Münze verzichten zu können.
    »Lord Olstin«, sagte sie zur Begrüßung.
    Der aufgedunsene Berater strich sich mit der Hand über das Haar, obwohl es unmöglich noch glatter an seinem Schädel hätte anliegen können. Grace hoffte nur, daß das Öl auf seinen Haaren aus der Flasche kam. Sie befürchtete aber, daß es auf natürliche Weise entstanden war.
    »König Lysandir war sehr betrübt, als er von Euren Problemen mit König Boreas gehört hat.« Eine übelriechende Wolke begleitete jedes Wort, als würden sich seine verfaulten Zähne mit jedem Atemzug weiter auflösen.
    »Wie nett von Eurem König, an mich zu denken«, zwang Grace sich zu antworten. Sie mußte an Morty Underwood denken.
    Olstin machte eine wegwerfende Handbewegung. Ringe glitzerten an seinen Fingern. »Boreas ist ein mächtiger König, das kann niemand bestreiten. Aber das Subtile liegt ihm nicht.«
    Grace betrachtete verstohlen Olstins übertriebene scharlachrote Kleidung und biß sich auf die Zunge.
    »Wohingegen Lysandir«, fuhr Olstin fort, »immer schon einflußreiche, aber geheime Verbündete zu schätzen wußte.«
    Jeder Instinkt befahl Grace wegzulaufen. Aber sie schluckte den Frosch in ihrem Hals herunter und beugte sich näher zu Olstin herüber. »Sprecht weiter, Mylord.«
    Fast eine Stunde lang hörte sie Olstins krächzender Stimme zu. Das meiste, das er sagte, war nutzloses Gerede darüber, wie Lysandir sich vom Rat der Könige mißachtet fühlte. Erst gegen Ende des Gesprächs wurde Grace klar, was Olstin wirklich sagen wollte. Brelegond war die neueste der Domänen und zweifellos die unwichtigste. Sie lag in den westlichen Grenzbezirken des bekannten Falengarth und hatte keine Güter oder Dienstleistungen zu bieten, von denen die anderen Domänen abhängig waren. Bei allem Schein verbarg sich eine einfache Wahrheit hinter Olstins Worten.
    Brelegond hatte Angst.
    Lysandir wußte, daß den Domänen große Schwierigkeiten bevorstanden, und er verfügte nicht über die Macht, etwas dagegen zu unternehmen. Deshalb würde er sich an alles und jeden klammern, das ihn und sein geliebtes Reich retten konnte. Im Moment war das Königin Eminda von Eredane. Lysandir war ganz eindeutig der Auffassung, daß Eredane schon bald die mächtigste der Domänen sein würde, und er und Brelegond wollten sich an Emindas aufsteigenden Stern anhängen.
    Das hieß aber nicht, daß Lysandir nicht noch nach weiteren Verbündeten suchte. Aus Olstins Worten konnte sich Grace auch ein deutliches Bild von den Gerüchten machen, die über sie verbreitet wurden: Sie kam aus einer der Freien Städte im tiefen Süden von Falengarth, sie war unsagbar reich und hätte, sofern sie nur wollte, jedem eine Armee südlicher Söldner kaufen können – im Austausch für ein großes Gut und einen dazugehörigen Adelstitel. Denn wie jeder wußte, verfügten die Freien Städte zwar über große Goldschätze, hatten aber im Gegensatz zu den Domänen keinen echten Adelsanspruch.
    Grace mußte beinahe lächeln. Es war eine gute Geschichte, und sie würde ihr Bestes tun, sie zu untermauern. Aber nachdem Olstin ihr vage Versprechen abgenommen hatte, seine Vorschläge zu erwägen, und sie verlassen hatte, schmolz ihre Zufriedenheit dahin wie Butter in der Sonne. Sie wußte aus ihrer Zeit im Krankenhaus, daß nichts die Leute gefährlicher machte als Angst. Ängstliche Menschen taten unglaubliche und furchtbare Dinge. Manchen verlieh Angst die Kraft, Autos von verletzten Kindern hochzuheben. Andere brachte sie dazu, eine Maschinenpistole zu nehmen und auf unzählige Fremde im Supermarkt zu schießen. Angst war wie ein Blitz: Man wußte nie, wo sie einschlagen oder was sie dann verursachen würde.
    Die Unterhaltung mit Olstin war nicht die einzige dieser Art, und nach mehreren Zusammenkünften mit Vertretern anderer Herrscher hatte sie sich ein besseres Bild von den tatsächlichen Hoffnungen und Befürchtungen der verschiedenen Domänen gemacht. Lord Irrenbril, ein Berater König Sorrins von Embarr, traf sie im Hof an, und sie unterhielten sich eine Weile unter einem kahlen Baum. Irrenbrill machte sich weniger um Embarr Sorgen als vielmehr um die geistige

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