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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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ich endlich weiß, welche Entscheidung die richtige ist.« Es war die Vorgehensweise einer Ärztin: die Symptome auflisten, eine Diagnose erstellen und dann eine Behandlung festlegen.
    Der Ritter schien über ihre Worte nachzudenken. Der Luftzug am Fenster wehte ihm das braune Haar aus der Stirn. Dann nickte er. »Es könnte an der Zeit für Euch sein, eine neue Taktik zu versuchen.«
    Ihr Herz schlug schneller. Sie trat näher an den Ritter heran. »Erklärt mir, was Ihr damit meint.«
    Am nächsten Tag verbreitete sich ein Gerücht durch die Gänge Calaveres, und zwar schneller als Ratten oder ein Lauffeuer. Am Mittag wußte jeder im Schloß, daß die Herzogin Grace von Beckett sich furchtbar mit König Boreas zerstritten hatte. Natürlich hatte niemand dieses überraschende und aufregende Ereignis selbst beobachtet, aber das verhinderte nicht, daß die Geschichte mit jedem Erzählen weiter ausgeschmückt wurde.
    »Grace, was auf Eldh geht hier vor?« fragte Aryn, als sie in Graces Gemach schlüpfte.
    Grace versuchte, ihre ganze Überzeugungskunst aufzubringen, so begrenzt sie auch war. »Das ist mein neuer Plan, um Boreas zu helfen«, sagte sie und hoffte, daß sie eher leichthin als atemlos klang.
    Aryn runzelte die Stirn. »Vielleicht hat das Wort helfen auf deiner Erde eine andere Bedeutung als hier.«
    Grace hörte auf, sich zu verstellen. »Aryn, hör mir bitte gut zu.« Sie ging auf die junge Baronesse zu. »Bis jetzt wollten alle Adligen auf Calavere mit mir sprechen, weil sie mich für eine Verbündete des Königs hielten. Sie wollten wissen, wer ich bin und welchen Nutzen Boreas aus mir zog, aber sie haben mir nie von ihren wirklichen Sorgen und Absichten erzählt, da sie stets fürchteten, daß jedes ihrer Worte an König Boreas weitergeleitet wird.«
    Ein Hauch von Neugier zeichnete sich auf Aryns Gesicht ab. »Sprich weiter.«
    Grace fuhr fort, bevor sie selbst den Überblick verlor. »Wenn jeder denkt, daß Boreas und ich mich zerstritten haben, dann werden sie sich fragen, mit wem ich mich jetzt verbünden werde. Vielleicht versuchen sie ja sogar, mich für ihre Seite im Rat zu gewinnen.« Die Absurdität der ganzen Angelegenheit ließ sie lachen. »Nicht, daß ich im Rat tatsächlich etwas ausrichten könnte, aber das wissen die anderen ja nicht. Und wenn sie glauben, daß ich Boreas nicht mehr nahestehe, dann trauen sie sich auch, mir zu sagen, was sie wirklich von der Sache halten.«
    Bevor Aryn etwas erwidern konnte, trat Durge vor. Die Baronesse blinzelte.
    »Das ist alles meine Schuld, Euer Hoheit«, sagte Durge in seinem grollenden Tonfall. »Ich fürchte, ich habe Lady Grace auf diese Idee gebracht. Wenn König Boreas nach Vergeltung verlangt, dann teilt ihm mit, daß sein Schwert auf meinem Hals niedergehen soll.«
    »Boreas ist wirklich fuchsteufelswild«, sagte Aryn. »Ich habe drei seiner Bulldoggen mit eingeklemmten Schwänzen davonlaufen sehen. Und wenn sie Schwänze hätten, würden seine Diener dasselbe tun.«
    »Gut so«, sagte Grace und versuchte wieder, überzeugend zu klingen. »Wenn Boreas wütend ist, werden die Leute die Geschichte um so mehr glauben. Aber du mußt ihm unbedingt die Wahrheit sagen, Aryn.« Sie verzog das Gesicht. »Ich glaube nicht, daß ich in Hörweite des Königs kommen könnte, ohne daß er mich köpfen läßt.«
    Darauf wußte Aryn nichts zu erwidern, und Grace sah sie mit großen Augen an.
    »Das sollte ein Witz sein, Aryn. Du kannst ruhig lachen. Ich glaube wirklich nicht, daß Boreas mich hinrichten läßt.«
    Aryn lächelte verkniffen. »Ich werde mit dem König sprechen«, versprach sie.
    Aryn zufolge war Boreas alles andere als begeistert von Graces Plan; es gefiel ihm nicht, daß sie sich nicht vorher mit ihm abgesprochen hatte. Aber jetzt war es nicht mehr rückgängig zu machen. Der König hatte keine andere Wahl, als mitzuspielen. Außerdem zeigte Durges Taktik in den kommenden Tagen erste Erfolge. Offiziell sprach niemand mit Grace, aber jeden Tag, nach dem Ende der Ratssitzung, konnte sie durch keinen verlassenen Korridor mehr gehen oder durch den Garten spazieren oder in einem ruhigen Raum sitzen, ohne daß jemand zu ihr kam, der reden wollte.
    Vielleicht hätte es sie überraschen sollen – aber das tat es nicht –,daß als erstes Lord Olstin von Brelegond zu ihr kam.
    »Guten Morgen, Euer Durchlaucht«, hörte sie eine schmeichelnde Stimme neben sich sagen.
    Grace ließ beinahe ihr Buch aus der Hand fallen. Das Flüstern erschreckte sie

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