Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
Der Raum füllte sich mit Gas.
Auf der anderen Seite der Tür erklangen Schritte. Der Lärm der Axt hatte sie alarmiert. Die Tür klappte ein Stück weit auf, stieß gegen die Schaufel und bewegte sich nicht weiter.
»Max?«
»Geh, Travis.«
»Max, was tust du?«
Etwas schlug gegen die Tür. Die Schaufel klirrte gegen die Rohre, hielt aber.
»Du mußt gehen.« Max’ Stimme war ruhig und beherrscht, als hätte er eine seltsame Art von Frieden gefunden. »Danke für alles, was du für mich getan hast, Travis.«
»Max!« Travis war außer sich. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Schon einmal hatte ihm ein Freund befohlen zu gehen. Er konnte nicht noch einen im Stich lassen. Nicht noch einmal.
Ein zweiter Schlag traf die Tür zum Lagerraum. Die Schaufel ächzte.
»Sofort, Travis. Solange noch Zeit ist. Öffne die Tür zur Gasse.«
Der Gasgeruch war mittlerweile erstickend. Der mangelnde Sauerstoff machte Travis schwindelig. In wenigen Sekunden würden sie ersticken. Sie mußten hier raus – sie beide. Travis stolperte vorwärts, seine Hände fanden den Türknauf. Nur wenige Zentimeter entfernt war frische Luft. Auf der anderen Seite. Aber Max war nicht hinter ihm. Er sah über die Schulter.
Ein dritter Schlag traf die Tür zum Lager. Die Schaufel zerbrach, die Tür wurde aufgeschleudert. In der Öffnung stand ein stämmiger Mann mit einem blonden Spitzbart und einer Brille, die Travis’ aufs Haar ähnelte. Der Mann klopfte sich die Hände ab und lächelte. Hinter ihm erhoben sich zwei schattenhafte Gestalten.
»Travis, jetzt!«
Max griff mit der linken Hand nach dem zerstörten Gasrohr. Der Agent von Duratek wandte sich der Bewegung zu, und sein Lächeln verwandelte sich in ein Stirnrunzeln. Max kniff die Augen zu, öffnete sie wieder, und ein Ausdruck wie Ekstase verzerrte sein Gesicht. In diesem Augenblick sah Travis es: Aus Max’ ausgestreckter Hand zuckte eine scharlachrote Flamme.
Der Blonde riß die Augen auf. Travis fuhr herum, riß die Tür auf und warf sich nach draußen. Hinter ihm ertönte Max’ von Herzen kommendes, fröhliches Gelächter.
Dann verwandelte sich die Welt in ein Flammenmeer.
17
Rote Wolken hingen am Himmel, als Travis die letzten paar Meter der Straße emporstieg, die den Hügel südlich der Stadt erklomm. Er wußte, daß es unmöglich war. Um von der brennenden Zerstörung des Mine Shaft Saloons zu diesem Ort zu gelangen, hätte er mindestens eine Stunde benötigen müssen. Aber irgendwie schien es keine Zeit gekostet zu haben – irgendwie war es noch immer Sonnenuntergang. Aber vielleicht würde es von nun an immer Sonnenuntergang bleiben; der Tag, der für alle Zeiten in Flammen erstarb.
Er schob sich die Hände unter die Achselhöhlen. Es linderte das Brennen und verlangsamte die Blutungen. Als er sich aus der Hintertür des Saloons geworfen hatte, war er über die Stufen geflogen und zwei Meter entfernt in der Gasse auf den ausgestreckten Händen gelandet. Kies und pulverisiertes Glas hatte sich in seine Handflächen gebohrt und unter der Haut festgesetzt. Die Wunden schmerzten, aber nicht so stark, daß er es nicht ertragen konnte. Davon abgesehen hatte ihn der Sturz gerettet.
Er hatte mehrere Sekunden dort gelegen, während brennende Holzstücke und glühend heiße Metallsplitter auf ihn niedergingen. Zwar konnte er sich nicht mehr an die Druckwelle erinnern – scheinbar hatte sich alles in perfekter Stille abgespielt –, aber ihre Nachwirkungen ließen seine Ohren klingeln. Die Hitze wurde schnell unerträglich. Er kam mühsam auf die Beine, taumelte die Gasse entlang und drehte sich um, um das Inferno zu sehen, das noch vor einer Minute sein Leben, sein Lebensunterhalt und sein Zuhause gewesen war.
Es dauerte mehrere Sekunden, bevor er alles aufnehmen konnte, bevor das sich ihm bietende Bild überhaupt einen Sinn ergab. Die hintere Hälfte des Mine Shaft war so gut wie verschwunden. Nur die Zementstufen, die zur Hintertür hinaufgeführt hatten, waren noch intakt: Sie hatten Travis vor der Druckwelle beschützt.
Eine zweite Explosion erschütterte den Boden. Glas zerbrach, eine Stichflamme schoß in den Himmel und verschmolz mit dem blutroten Himmel. Das Feuer griff auf die Gebäude neben dem Saloon über; sie waren auch verloren. Doch die Kraft der zweiten Explosion schien einen Teil des Feuers gelöscht zu haben, und in diesem Augenblick übertönten Sirenen das laute Prasseln.
Travis wußte, er sollte bleiben, mit ihnen sprechen, sie über Max
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