Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
deutete. Ein steiler Wall aus schwarzem Stein ragte in den schiefergrauen Himmel.
»Nun«, sagte Melia. »Wir sind da.«
Travis spähte über den Brillenrand, da die Gläser beschlagen waren. »Was ist das für ein Ort, Falken?«
»Ein Ort des Todes.«
Grace erschauderte.
Sie stiegen von den Pferden, banden die Zügel zusammen und näherten sich dem Wall. Nur daß es gar keine von Menschenhand erbaute Mauer war. Als der Nebel weiter aufriß sah Grace, daß es sich um eine Steilwand handelte, ein Teil der östlichen Fal Erenn. Der Felsen war geglättet und auf Hochglanz poliert worden. Grace strich mit den Fingern darüber. Der Stein fühlte sich leicht ölig an, aber ihre Fingerspitzen blieben sauber. Sie schaute nach oben, aber so weit sie sehen konnte, war der Wall ohne jeden Makel.
»Ich habe etwas gefunden«, verkündete Aryn, die links vor den anderen stand.
Grace erreichte die Baronesse als erste. Instinktiv ergriff sie die linke Hand der jungen Frau.
»Es ist ein Eingang«, murmelte Grace und Aryn nickte.
Der Torbogen überragte Graces Kopf um etwa einen halben Meter und trat ein Stück aus der Oberfläche des Walls hervor. Man hatte komplizierte, geometrische Muster in den Stein gemeißelt. Es fiel schwer, sie mit dem Blick zu erfassen; Grace hatte noch nie zuvor etwas Vergleichbares gesehen. Schatten lauerten im Inneren der Nische und deuteten auf einen Gang hin, aber als sie die Hand ausstreckte, traf sie nur wenige Zentimeter später auf harten, glatten Stein, was ihren Verdacht bestätigte. Es war ein Tor, aber es war verschlossen.
Die anderen trafen ein und drängten sich um Grace und Aryn, um das Tor zu betrachten. Beltan drückte gegen den Felsen innerhalb des Torbogens, aber obwohl seine Muskeln hervortraten, rührte sich das Tor nicht.
Melia sah Falken an. »Falls es dir entgangen sein sollte, es ist verschlossen.«
»Hast du eine freundliche Begrüßung erwartet?«
Melia hielt das schnurrende Fellknäuel in ihren Armen fester. »Nein, das habe ich wohl nicht. Nicht hier.«
»Melia, was ist das für ein Ort?« fragte Grace. Aber falls die Lady sie gehört hatte, entschied sie sich, die Frage zu ignorieren.
Lirith strich mit ihren schlanken Fingern über die eingravierten Zeichen. Sie runzelte die Stirn. »Das ist offensichtlich tarrasisch, aber ich habe noch nie vergleichbare Muster gesehen. Ich schätze, sie sind sehr alt.«
»Und da habt Ihr recht«, sagte Falken. »Dieses Tor wurde vor über tausend Jahren gebaut. Lange vor der Gründung der Domänen. Sogar noch vor der Gründung Malachors.« Er holte tief Luft. »Und wir müssen durch es hindurch.«
»Also gut.« Beltan stützte die Hände auf die schlanken Hüften. »Wie kriegen wir es auf?«
Falken wollte darauf etwas erwidern, aber Durge, der sich die Innenseite des Torbogens angesehen hatte, nahm den Kopf zurück. »Auf dem Stein sind Zeichnungen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es könnten Runen sein.«
»Licht«, sagte Falken. »Wir brauchen Licht.«
Beltan wandte sich ab und ging auf eines der Pferde zu – Grace nahm an, er wollte eine Fackel holen –, aber bevor er zwei Schritte zurückgelegt hatte, sprach Travis leise ein Wort.
»Lir.«
Ein blasses Licht erschien aus dem Nichts, verscheuchte die Schatten innerhalb des Alkovens und ließ silbrige Linien aufleuchten. Falken warf Travis einen scharfen Blick zu, aber Travis sah weg. Der Barde wandte sich ab und konzentrierte sich auf die leuchtenden Linien, die sich über die Innenseite des Torbogens zogen.
»Ihr hattet fast recht, Durge. In gewisser Weise erinnern mich diese Zeichen an Runen. Aber es sind keine richtigen Runen – nur eine Reihe von Strichen und Punkten.«
Lirith stützte ihr Kinn auf die Hand. »Ich verstehe das nicht. Falls dieses Tor tarrasischen Ursprungs ist, warum hat man es dann mit runenähnlichen Symbolen versehen? Man hat in Tarras keine Runenmagie verwendet.«
»Dieser Ort wurde von jemandem erbaut, der aus dem Süden kam«, sagte Falken. »Aber danach kam ein anderer, und das ist derjenige, wegen dem wir uns Sorgen machen.«
»Könnt Ihr die Symbole lesen?« fragte Aryn atemlos.
Falken schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nicht. Falls es sich um Runen handelt, sind sie zu verwischt und fragmentarisch, um gelesen werden zu können. Aber ich halte sie für eine Art besonderen Code. Schließlich hätte er nicht jedem Zugang gestattet.«
Melia musterte ihn stirnrunzelnd. »Was?«
»Ich vermute, es handelt sich um eine
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