Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
sie zur Seite. Travis starrte das Ding an, das sie freigelegt hatten.
Es war ein Monolith aus schwarzem Stein; seine vier glatten Flächen verjüngten sich nach oben. Die Oberfläche war spröde und von den Elementen verwittert, aber Travis konnte noch ein paar der Symbole ausmachen, die man in die Oberfläche eingeritzt hatte. Es waren keine Runen.
Wellen kranker, erstickender Macht pulsierten aus dem Stein, ließen die Luft schimmern und verzerrten sie wie Hitze über dem Wüstenboden. Beltan streckte eine Hand nach dem Monolithen aus. Travis folgte seinem Beispiel.
Eine Stimme durchschnitt ihre Betäubung wie ein kaltes Kupfermesser.
»Ihr dürft den Stein nicht berühren!«
Melia. Aber sie erschien so weit entfernt, so klein.
»Geht von ihm weg. Sofort.«
Travis erstarrte, hilflos gefangen zwischen der Kraft, die in den Worten der Lady gelegen hatte, und der unerbittlichen Anziehungskraft des Steins. Dann stieß er ein Keuchen aus und machte einen Satz zurück. Der Schleier vor seinen Augen hob sich, und erst als Luft in seine Lungen strömte, wurde ihm bewußt, daß er aufgehört hatte zu atmen. Beltan stolperte hinter ihm her.
»Sind sie in Ordnung?« Das war Falken, der Melia die Frage stellte.
Melia berührte Beltans Stirn, dann Travis’. Ihre Fingerspitzen waren so sanft und kühl wie Regenwasser. »Sie sind unversehrt. Aber wir müssen sofort von dem Pylon weg. Das Böse in ihm hat uns alle angesteckt.«
Eine halbe Stunde später kauerten sie alle in einem Ring aus umgestürzten Felsen, der so rund war, daß sich Travis fragte, ob er wohl von Menschenhand geschaffen worden war. Er trank von der duftenden Flüssigkeit in der Tontasse, die er hielt, und seufzte. Melia hatte aus Alasai einen Tee aufgebrüht, und nach den ersten Schlucken hatte sich ihrer aller Blick geklärt, und ihre Gesichter hatten wieder Farbe bekommen. Das heißt, alle bis auf Tira, die bei dem Tee die Nase gerümpft und die Gefährten ignoriert hatte, um auf einen der Felsen zu klettern und dort mit ihrer Puppe zu spielen.
»Was war das, Falken?« Grace stellte ihre Tasse ab und betrachtete den Barden mit ihren strahlenden grüngoldenen Augen. »Was war das für ein Stein dort hinten?«
Travis antwortete. Es war nicht das erste Mal, daß er so ein Ding gesehen hatte. »Es ist ein Pylon. Ein Artefakt des Fahlen Königs.«
»Nein, das ist so nicht ganz richtig«, sagte Melia.
Der Barde nickte. »Es waren die Nekromanten, die Zauberer des Fahlen Königs, die die Pylonen erschufen. Das war während des Krieges der Steine. Niemand weiß genau, wozu die Pylonen dienten, aber ich glaube, sie halfen den Nekromanten irgendwie bei der Kommunikation – miteinander und mit anderen Dienern des Fahlen Königs.«
Lirith umfaßte ihren Tee mit beiden Händen. »Falken, wurden im Krieg der Steine nicht alle Nekromanten getötet?«
»So erzählt man es sich.«
»Und doch scheint Ihr so viel über sie zu wissen.«
Der Barde berührte die silberne Brosche, die seinen Umhang zusammenhielt. »Man könnte sagen, daß ich … einige Erfahrungen mit diesem Thema habe.«
Travis runzelte die Stirn. Wie konnte Falken mit etwas Erfahrung haben, das vor einem Zeitalter vom Antlitz der Welt verschwunden war?
»Da gibt es noch eine Frage, die Ihr beantworten müßt, Falken.« Das war Durge. »Warum steht hier ein Pylon?«
»Weil ein Nekromant diesen Ort erbaut hat, vor dem Beginn des Krieges der Steine.«
Alle starrten den Barden an, aber keiner fand die richtigen Worte, um darauf etwas zu erwidern.
Falken stand auf. »Ich sollte mich wieder um das Tor kümmern. Ich muß noch immer eine Möglichkeit finden, es zu öffnen.«
»Nicht allein«, sagte Melia. »Es befindet sich zu nahe am Pylon.«
Travis erhob sich mühsam. »Ich begleite ihn.«
»Ich auch«, meinte Lirith und stand auf.
»Jeder von euch muß den anderen genau im Auge behalten und nach den Anzeichen des Schattens Ausschau halten, den der Pylon wirft«, ermahnte sie Melia.
Die beiden nickten. Falken setzte sich in Bewegung. Travis folgte ihm, und Lirith ging an seiner Seite.
»Da gibt es noch mehr, was sie uns nicht gesagt haben«, flüsterte die Hexe unterwegs.
Travis konnte ein leises Auflachen nicht unterdrücken. »Ich habe das Gefühl, daß das immer so sein wird.«
Sie erreichten das Tor, das in die Felswand eingelassen war. Travis konnte die Macht des Pylons spüren; sie war wie ein Schatten am Rand seines Blickfelds, aber jetzt, wo er wußte, daß es sie gab, war es
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