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Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter

Titel: Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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dass sie tausend Dinge vergessen hat, die andere Orte niemals lernen werden. Es heißt, dass aus den Quellen in Tarras kein Wasser sprudelt, sondern Wein, der stark genug ist, um den kältesten Geist zu wärmen, und bitter genug, um das reinste aller Herzen zu vergiften.«
    Lirith dachte über seine Worte nach. Zweifellos war Tarras eine uralte Stadt, deren Niedergang schon vor langer Zeit begonnen hatte. Einst hatte das tarrasische Reich fast ganz Falengarth umspannt; es war die größte Macht auf Eldh gewesen. Aber im Verlauf der Jahrhunderte hatte sich das Reich unter der Herrschaft schwacher, grausamer und kleingeistiger Kaiser zurückgezogen, seine Grenzen waren immer weiter nach Süden zurückverlegt worden, und es hatte das Land im Norden zuerst den Barbarenstämmen und später dann den sieben Domänen überlassen. Jetzt bestand das Kaiserreich aus kaum mehr als Tarras selbst und einer Gruppe kleinerer Städte, die sich an der Küste des Sommermeeres befanden.
    Doch obwohl Tarras so heruntergekommen war, galt es noch immer als die großartigste Stadt der Welt. Und als Lirith die zahllosen Kuppeln, Türme und geschwungenen Brücken sah, glaubte sie es sofort.
    Der Kapitän verschwand unter Deck, und Lirith wandte sich wieder dem Bug zu. Die Stadt war jetzt näher; in der warmen, trägen Luft lag der Duft von Gewürzen. Auf den Docks waren Leute beschäftigt, Männer und Frauen, die in fließende Gewänder mit feinen, edelsteinähnlichen Farben gekleidet waren. Es war seltsam und wunderbar, wie man innerhalb von zwei Wochen in eine völlig andere Welt reisen konnte.
    Sie hatten Ar-Tolor im Morgengrauen des Tages nach der Nachricht von Ondos Tod verlassen. Dem Tag, nachdem sie Tharkis, den verrückten Hofnarren und einstigen König von Toloria, gefunden hatten, wie er mit ausgequetschten Augen von einer Galerie hing.
    Der Mord an Tharkis hatte jeden im Schloss erschüttert. Die meisten vertraten die Meinung, dass Tharkis am Ende einen Spottvers zu viel verfasst und ein Ritter oder ein Lord schließlich seine Wut an ihm abreagiert hatte. Doch im Schloss kursierten auch noch andere Gerüchte, denen zufolge kein Ritter oder Lord den Narren getötet hatte, sondern eine Frau. Denn konnte es ein Zufall sein, dass Tharkis sein grausames Ende in genau dem Augenblick gefunden hatte, in dem die Hexen, die verstohlen nach Ar-Tolor gereist waren, genauso verstohlen wieder abreisten?
    Lirith wusste, dass Tharkis von keiner Hexe ermordet worden war, dass da nur die Furcht der einfachen Leute sprach. Und trotzdem … Sie wurde den Eindruck nicht los, dass in den Gerüchten ein Körnchen Wahrheit steckte. Aus irgendeinen Grund spürte Lirith in dieser schrecklichen Tat die Hand einer Frau. Aber wer? Und warum?
    Aryn war die Letzte gewesen, die Tharkis lebend gesehen hatte, und später an diesem Tag hatte die Baronesse Lirith von ihre Begegnung berichtet. Über einen Faden der Weltenkraft hatte Lirith die Worte des Narren mitgehört, während Aryn sich an sie erinnerte.
    Sie sieht alles. Ich kann mich nicht verstecken … sie findet mich selbst im Schlaf. Aber sie ist nicht die Einzige, die sehen kann. Auch ich habe Dinge gesehen.
    Und dann seine noch seltsameren letzten Worte. Fürchtet die, die lebt und doch tot ist, Ihr könnt ihrem Netz nicht entkommen, auch nicht mit List.
    Aber wie konnte jemand zugleich leben und tot sein? Und warum hätte diese Frau Tharkis ermorden sollen? Unglücklicherweise verlieh das Meister Tharkis’ letztem und verblüffendstem Rätsel nur zusätzliches Gewicht. Und an diesem Abend hatten sowohl Lirith wie auch Aryn gewusst, dass es drängendere Dinge gab, um die sie sich sorgen mussten.
    Ivalaine hatte sie nach Einbruch der Dunkelheit zu sich gerufen, während der Sichelmond dem westlichen Horizont entgegensank.
    »Ich muss euch eine Last aufbürden«, sagte die Königin, als sie ihre Gemächer betreten hatten, »die mir keine Freude macht, trotzdem muss ich es tun. Denn ich bin dem Muster verpflichtet, und so wie ich euch diese Aufgabe aufbürden muss, müsst ihr beiden sie erfüllen.«
    Lirith hatte keine Ahnung, was es Ivalaine gekostet hatte, sich mit dem Zentrum des Musters zu verbinden, aber vielleicht war der Preis ja noch höher als gedacht. Die Königin sah ihnen nicht in die Augen, und ihre Worte und Gesten erschienen steif, wie von jemandem, der halb erstarrt war. Tressa stand in der Ecke des Raumes, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, aber sie enthielt sich jeder

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